Mitten in Kirchseeon:Horror aus der Fritteuse

Wird die Gemeinde bald von Imbissbuden überrannt? Die Gefahr scheint gering, doch der Gemeinderat geht lieber kein Risiko ein.

Kolumne von Franziska Langhammer

Sie steht am Ende eines jeden Kölner Tatorts, wenn die Kommissare Schenk und Ballauf ihre Currywurst in die Soße tunken; und auch vom Grafinger Volksfest oder dem Ebersberger Wochenmarkt ist sie nicht wegzudenken: die Imbissbude. Ob Würstel, Pommes oder Hendl, das Mutterhaus des Fastfood versorgt seine Passanten gewissenhaft mit schnellen und günstigen Gerichten auf die Hand - und das schon lange bevor es "to go" gab. Seit Ende des Zweiten Weltkrieg soll es sie als kulinarische Institution geben, seit der Erfindung der Currywurst also durch die Berlinerin Hertha Heuwer. Die Imbissbude kann auf eine wechselhafte Geschichte zurückblicken; so wurde sie etwa in der ehemaligen DDR zum Politikum: Weil Staatschef Honecker seinen ausländischen Gästen den Anblick langer Warteschlangen vor den Wüstelbuden ersparen wollte, musste ein Budenbesitzer den Weg frei machen und sich in einer Nebenstraße niederlassen. Heute verschwinden die Take-Aways immer mehr aus dem Straßenbild, werden von großen Ketten verdrängt - oder von arglosen Anwohnern, die sich einer deftigen Geruchsbelästigung durch Frittierfette und Grillgut ausgesetzt sehen.

So zumindest befürchtet es der Gemeinderat in Kirchseeon. Am Montagabend berieten die Mitglieder in ihrer öffentlichen Sitzung den Antrag eines Geschäftsmanns in Kirchseeon, der vor seinem Lebensmittelladen zusätzlich eine Imbissbude aufstellen will. Weil sein Wagen aber eventuell zwanzig Zentimeter auf öffentlichen Grund ragen wird, beratschlagte die Gemeinde, seine Pläne zu erlauben oder zu verbieten. Was Bürgermeister Udo Ockel (CSU) schnell vom Tisch haben wollte, geriet jedoch zur hitzigen Diskussion quer durch alle Parteien.

Ockels Vorschlag an seinen Gemeinderat lautete: "Wir genehmigen nicht, weil wir befürchten, dass es übermorgen Ärger gibt." Die Unabhängige Wählergemeinschaft erinnerte an einen ehemaligen Imbiss an der Hauptstraße, da sei die Hölle los gewesen. Die SPD plädierte dafür, die Sachlage objektiver zu betrachten. "Der Standort des Ladens ist schwierig, es gibt ständig Betreiberwechsel. Unsere Zustimmung könnte ein gutes Signal sein, um Starthilfe zu geben", befand etwa Barbara Bittner. Auch die Grünen waren der Bude positiv gesinnt. "Wenn dort ein Mittagstisch angeboten wird, ist das eine kulinarische Bereicherung", sagte Rüdiger Za und schlug vor, gegen die Geruchsintensität von Brathendln ein Umsatteln auf die nasenschonendere Fritteuse vorzuschlagen. Ockel wandte ein, Ähnliches könne nur die Emmissionsschutzbehörde verlangen. Nun wurde es unruhig bei der CSU: Es handle sich hier um eine Grundsatzentscheidung, ob jeder auf öffentlichem Grund in Kirchseeon einen Imbisswagen aufstellen dürfe oder nicht; man würde bei Erlaubnis einen Präzedenzfall schaffen. Einen Präzedenzfall für zwanzig Zentimeter, warfen die Grünen ein.

Die Horrorvisionen eines von Imbissbuden und deren Besuchern überschwemmten, nach Hendl und Frittieröl stinkenden Kirchseeon hätten wohl weiter ihren Lauf genommen, wäre nicht schließlich das Marktoberhaupt eingeschritten mit den Worten: "Andere Themen beschließen wir viel schneller, und wegen dem Imbisswagen tun wir jetzt schon eine halbe Stunde rum." Schließlich entschied der Rat mit neun zu elf Stimmen, den Antrag abzulehnen. Offen blieb die Frage, ob die Entscheidung pro oder contra Imbissbude überhaupt in der Hand der Gemeinde liegt; zuallererst nämlich muss einmal die Hausgemeinschaft über dem Lebensmittelladen entscheiden, ob sie mit dem zusätzlichen Angebot einverstanden ist oder nicht.

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