Mitten in Hohenlinden:Fuchs rettet Gans

Der Heilige und seine schnatternden Freunde: Das "Deutsche Tierschutzbüro" präsentiert neue Erkenntnisse zum Martinstag

Kolumne von Karin Kampwerth

Die Hochsaison der Kinderlieder steht kurz bevor. Nicht mehr lange wird es dauern, bis sich Rolf Zuckowskis Ohrwurm "In der Weihnachtsbäckerei" in den Gehörgang frisst und sich dort festsetzt wie Plätzchenspeck auf der Hüfte. Zunächst aber mal ziehen die Kleinen, "rabimmel, rabammel, rabum", zu Ehren des Heiligen Martin mit ihren Laternen durch die Straßen. Die Gänse, die im Anschluss zum Apfelpunsch verzehrt werden, sind aus Quark-Öl-Teig. Zuckerzeug bekommt dem Nachwuchs eben besser als das fette Geflügelfleisch. Und ist nebenbei ganz im Sinne des Sankt Martin. Denn der war, wie der Verein "Deutsches Tierschutzbüro" am Donnerstag per Pressemitteilung erklärt, vermutlich Vegetarier. Aus dieser Annahme heraus fordert der Verein die Feiernden auf, zum Festtag keinen Gänsebraten zu verspeisen.

Dass der Martinstag eigentlich ein Veggie-Day seien müsste, schließen die Tierschützer aus der Geschichte wie folgt. Demnach war der spätere Bischof von Tours für seinen einfachen Lebensstil bekannt, vor allem aber gilt er seit seiner Heiligsprechung als Schutzpatron der Bettler, Soldaten, Waffenschmiede - und der Tiere. Selbst die Gänse, die ihn der Legende nach durch ihr Schnattern verraten haben, weshalb sie nun gegessen werden, seien eigentlich seine Freunde gewesen. Schließlich habe Martin bei ihnen Schutz gesucht.

Dennoch könnte man das Brauchtum des Gansessens als eine Art später Rache an dem Federvieh betrachten. Insofern müssen die Hohenlindener besonders fromme Martinsjünger sein. Denn dort lädt die evangelische Kirchengemeinde am Samstag, 11. November, zum traditionellen Martinsgansessen in den Gasthof "Zur Post" ein. Eine Reservierung sei notwendig, heißt es, "damit der Wirt auch genügend Gänse bereithalten kann".

Ein Satz von martialischer Sinnhaftigkeit, der den Mitarbeitern im Deutschen Tierschutzbüro und anderen Vegetariern bestimmt den Schreck in die Glieder fahren lässt. Man stelle sich nur mal den Koch in einer Schar von Gänsen vor, die um ihr Leben schnattern, weil die Gaststube voller hungriger, aber den Martin falsch interpretierender Traditionalisten sitzt. Was zurück in die Welt der Kinderlieder führt. Im Deutschen Tierschutzbüro wird man vermutlich hoffnungsvoll "Fuchs, du hast die Gans gestohlen" anstimmen. Das passt zwar nicht zur Jahreszeit, aber dafür in die natürliche Nahrungskette.

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