Süddeutsche Zeitung

Mitten in Grafing:Keine böse Absicht

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Wer einen richtig schönen Weiberabend plant, sollte am besten keine Mütter einladen.

Von Anja Blum

So viel ist zu lesen über die ständige Überforderung der modernen Eltern, vor allem der Frauen, die Beruf, Haushalt und Kinder hin und her jonglieren müssen. So viel. Seit Jahren und in sämtlichen Medien, nicht nur in den einschlägigen Magazinen mit Diättipps, Promis und Rezeptvorschlägen. So viel, dass einen manches Mal der Verdacht beschleicht, das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie werde vielleicht doch ein wenig zu hochgekocht. Trotz des eigenen Erlebens, trotz eines anstrengenden Alltags zwischen Schreibtisch, Supermarkt, Herd und Spielplatz.

Und dann gibt es die Momente, in denen klar wird: Nein, es ist tatsächlich so - und noch viel schlimmer. Zum Beispiel vergangenes Wochenende in Grafing. Im Kalender steht in großen, krakeligen Lettern: Mama Geburtstag. Nur, was tun an diesem Jubeltag? Ihn mit der Familie verbringen? Könnte anstrengend werden. Zuhause eine Party schmeißen? Hierfür gilt das gleiche. Also wählt Mama die vermeintlich sorgenfreieste aller Alternativen: einen Weiberabend in dem wunderbaren Weinlokal am Marktplatz. Da hat der Papa zwar nichts davon - aber mit dem kann man ja an einem anderen Abend noch einmal extra anstoßen. Gesagt, getan. Zwölf Damen stehen am Ende auf der Liste, alle haben Zeit, die Freude ist allseits groß. Endlich mal wieder raus, mal wieder ungestört quatschen bis das Licht ausgeht!

Doch dann naht der Abend, es sind nur noch ein paar Stunden - und eine Absage nach der anderen flattert herein. Am Ende werden sechs der zwölf Damen nicht zu dem Geburtstag kommen, weil sie sich nicht gut fühlen, krank sind oder schlicht überfordert. Nach dem Motto: "...außerdem hat Paul morgen wieder Fußballturnier - das wird mir einfach alles zu viel". Alle diese Frauen haben einen Job und Kinder - eine böse Absicht ist bei keiner zu vermuten. Trotzdem gibt diese Erfahrung der Gastgeberin zu denken. Für nächstes Jahr plant sie jedenfalls einen Herrenabend.

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Quelle:
SZ vom 21.10.2015
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