Mitten in Grafing:Ein Denkmal für sich

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Bald wird der Grafinger Bauhof mit schwerem Gerät vorfahren und die Stele auf die Ladefläche hieven. Die Frage ist: Wie geht es mit der Mauer dann weiter?

Glosse von Thorsten Rienth

Das Abriss-Votum aus dem Grafinger Stadtrat ist da, der Hohn und Spott über den wenig rühmlichen Mauerbau im Stadtpark verstummt. Endlich kann sich die Lokalpolitik wichtigerem zuwenden. Bald wird der Bauhof mit schwerem Gerät vorfahren und die Stele auf die Ladefläche hieven. Freilich, das dies wirft die Frage auf, warum ausgerechnet ein städtischer Bauhof die Reste einer Parteiveranstaltung wegzuräumen hat? Doch niemand sollte kleinlich sein. Es gibt Wichtigeres. Zum Beispiel die sachgerechte Entsorgung.

Laut städtischer Internetseite kann der Bauhof die Stele einfach hinüber zum Wertstoffhof fahren. Und dort für 43 Euro je Kubikmeter, also vielleicht für zehn Euro, abgeben. Zumindest dann, wenn die Wertstoffhof-Kollegen die Mauer als "Mörtel-, Beton- und Mauerwerksbrocken mit nur geringen Mengen an Farb- oder Tapetenanhaftungen" interpretieren. Der sonst eher aus dem Betäubungsmittelgesetz bekannte Begriff der "geringen Menge" könnte sich hier positiv auf die Kostenfrage auswirken.

Wie oft die Mauer in dem halben Jahr ihres Stehens übermalt und übersprayt worden war, weiß niemand so genau. In jedem Fall warnt die Stadt-Website: "Die Verantwortung für die ordnungsgemäße Abfallentsorgung trägt dem Gesetz nach der Abfallerzeuger." Hierfür kommen drei in Frage: Die CSU als Aufsteller der Mauer. Das Rathaus als ihr Genehmiger. Der Stadtrat als ihr Abriss-Kommandeur.

Das Potenzial ist da, dass nun wieder vieles in Schuldzuweisungen endet. Damit Grafings Stadtpolitik sich wirklich um wichtigeres kümmern kann, wäre vielleicht eine unkonventionelle Alternative zum Wertstoffhof gefragt: Etwa ein Recycling auf dem Pausenhof des Grafinger Gymnasiums, wo bereits eine Stele der - ebenfalls abgerissenen - echten Berliner Mauer mahnt. Oder in der Asservatenkammer des Museums der Stadt. Teil der Stadtgeschichte ist die Stehle allemal - auch nach ihrem Abriss.

© SZ vom 27.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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