Mitten in Ebersberg:"Für deine Verhältnisse großartig"

Mitten in Ebersberg: Als "Negging" noch ein Fremdwort war: Hier tauschen die Uschi und der Fritz Komplimente aus.

Als "Negging" noch ein Fremdwort war: Hier tauschen die Uschi und der Fritz Komplimente aus.

(Foto: imago/United Archives)

Die Kunst des Komplimentierens ist eine hohe - manchmal macht aber auch der Ton die Musik.

Glosse von Franziska Langhammer, Ebersberg

In der Welt der Komplimente herrschen eigene Gesetze - sowohl für diejenigen, die sie machen, als auch für diejenigen, die sie bekommen. Ja, auch der Empfänger des meist anerkennend gemeinten Zuspruchs kann einiges falsch machen. Wiegelt man beispielsweise Komplimente ab, bringt man vielleicht das Gegenüber damit in die Verlegenheit, noch mit weiteren Nettigkeiten um sich zu schmeißen: eine verdrehte Form des "fishing for compliments".

Dann gibt es hingegen die vergifteten Komplimente: liebevoll formulierte Sätze, die man jemandem zuwirft, um ihn eigentlich zu ärgern. Dazu gehören etwa "Hast du abgenommen?", "Für dein Alter siehst du echt gut aus!" oder "Für deine Verhältnisse großartig!" Als toxischer Dating-Trend wird das so genannte "Negging" bezeichnet. Wer neggt, spricht bei einem Date Komplimente aus, die einen faden Beigeschmack haben - und manifestiert so subtil ein Machtgefälle zwischen den beiden potentiellen Turteltauben. Beispiel gefällig? "Ich wusste gar nicht, wie sehr ich blonde Frauen mag, bis ich dich gesehen habe."

Manchmal jedoch ist es auch anders rum: Das, was gesagt wird, klingt vielleicht nicht so nett - ist aber umso lieber gemeint. Der Ton macht hier die Musik, wie etwa bei folgenden Komplimenten aus dem Freundeskreis: "Deine Haare sind so dünn." Oder: "Du siehst nicht so aus, als ob du kein Fleisch essen würdest." Oder: "Du erzählst so schön, ich glaub, ich schlaf ein."

Ein ähnlich gestricktes Kompliment konnte kürzlich bei einem Basar im Landkreis belauscht werden: Zwei Mütter unterhalten sich über die Second-Hand-Kleidung, die sie in Augenschein nehmen. "Du, passt das Kleid zu meiner Tochter?", fragt die eine. "Hm, lass mal sehen... Also, ich hoffe, du verstehst das nicht falsch: Es passt absolut nicht zu eurer Familie, also gar nicht. Aber zu deiner Tochter, zu der passt es irgendwie." Die andere Mutter wirkt regelrecht erleichtert: "Ja, findest du auch? Das hab ich mir auch gedacht!" Nachdenklich fügt sie hinzu: "Zu uns passt es überhaupt nicht, das stimmt."

Was auch immer dies für ein Kleid gewesen sein mag, das so eine geschmackliche Spaltung innerhalb der Familie ausgelöst hat: allein dieser stilvollen Beratung nach zu urteilen, muss sich der Kauf gelohnt haben. Und irgendwie ist es auch schön, wenn sich heutzutage Menschen ehrlich Dinge sagen können, die im ersten Moment vielleicht nicht wie ein Kompliment klingen - den anderen aber doch von Herzen erfreuen.

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