Mitten in Ebersberg:Zu stressig für Piranhas

Was ist nur mit den großen Ferien passiert? Die Sonne scheint, und überall ist es voll. Viel zu voll

Kolumne von Wieland Bögel

Früher, wann das immer auch gewesen sein mag, war ja wirklich nicht alles besser, aber manches doch einfacher. Wem zum Beispiel der Sinn nach etwas mehr Ruhe und etwas weniger Gschaftelei stand, der musste eigentlich nichts tun, nur warten. Und zwar auf die Sommerferien. Dann, so war es lange der Brauch, sprangen die meisten Menschen in Züge, Autos, Flugzeuge und eventuell Schiffe, suchten das Weite und verschafften so den wenigen Zuhausegebliebenen ein paar Wochen Ruhe und Gschaftelfreiheit. Doch die Zeiten sind vorbei.

Zwar wird immer noch wie wild in die Ferien gefahren, geflogen und geschwommen - aber man merkt als Nicht-Urlauber nichts davon. Konnte früher von Ende Juli an in der Früh getrost getrödelt werden, schließlich war die Straße auf dem Weg zur Arbeit frei, drängelt es sich dort heute genauso schlimm wie außerhalb der Ferien. Die man höchstens erahnen kann, weil sich in der Blechlawine ab und zu ein Campingbus ausmachen lässt. Auch das unmotorisierte Gedränge hat zu- oder zumindest nicht abgenommen. Etwa in Biergärten oder Cafés, welche die Nicht-Urlauber früher, wenn schon nicht für sich alleine, dann doch mit viel Beinfreiheit genießen konnten.

Auch strategisch schlau auf die großen Ferien gelegte Einkaufstouren in Fachgeschäfte - früher fast angenehm, ob der kaum gestressten und für hiesige Verhältnisse geradezu herzlichen Verkäufer - scheitern oftmals schon am Gedränge an den Eingangstüren. Und an den Besuch eines Freibades oder Badesees ist ohnehin kaum zu denken. Zum einen wegen der mühsamen Anreise (siehe oben) zum anderen, weil es im und am Wasser genauso zugeht wie auf dem Weg dahin. Ja, das Gedrängel ist so schlimm, dass sich auch die sonst so zuverlässigen Sommertiere bisher nicht haben blicken lassen, nicht die kleinste Schnappschildkröte, von Krokodilen, Piranhas und Problembären ganz zu schweigen.

Wahrscheinlich, denkt der ruhesuchende Nicht-Urlauber verdrießlich, liegt es am Wetter, also am Klimawandel. Der dazu geführt hat, dass ein früher verlässlich mit Beginn der Ferien einsetzendes meteorologisches Phänomen immer häufiger ausbleibt: Die Rede ist von der voralpinen Regenzeit (VARZ). Wir erinnern uns: Spätestens, wenn am Tag der Zeugnisvergabe der letzte Klang der Schulglocke verstummt war, begann es wie aus Eimern zu gießen, meistens sechs Wochen lang. Weshalb sich eben sehr viele Leute in Züge, Autos, Flugzeuge und eventuell Schiffe setzten, das Weite suchend. Während die Zurückbleibenden es zwar etwas nass, dafür aber gemütlich hatten. Tempi passati, bald wird man Urlaub machen müssen, um wenigstens ein bisschen Ruhe zu haben...

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