Mitten in Ebersberg:Yee-haw at Mary's Place

Warum der Marienplatz für die Bewohner der Kreisstadt das verkehrsumstoste Leid ist - für Touristen aus Übersee aber pure Freude

Kolumne von Wieland Bögel

One man's pleasure is another's pain", so sagt man in Amerika und hierzulande sagt man ähnlich, da heißt es dann: "Des einen Freud', des anderen Leid". Wie richtig dieser Satz - auf jeder Seite des Großen Teichs - ist, hat sich kürzlich in Ebersberg gezeigt. Der dortige Marienplatz - für alle Bewohner der Kreisstadt das verkehrsumtoste Leid schlechthin - ist für manch andere die pure Freude.

So hat es nun Bürgermeister Walter Brilmayer berichtet, der selbst von seinem Arbeitsplatz im Rathaus aus einen optischen und akustischen Eindruck von der Blechlawine hat, die sich tagein tagaus durch die Kreisstadt wälzt. Neben dem Rathaus befindet sich ein Hotel, das vor einigen Monaten den Besitzer wechselte und über dessen Zukunft der Bürgermeister auf der jüngsten Bürgerversammlung referierte. Dabei machte er auch die Position der Stadt klar, nämlich, dass man auch in Zukunft sehr gerne ein Hotel im Zentrum haben möchte. Dass das im Rahmen des Möglichen ist, habe auch ein Gespräch mit dem Hotelbetreiber nahegelegt. Der habe erklärt, der Beherbergungsbetrieb laufe gut - und das nicht trotz, sondern wegen der Nähe zum gut befahrenen Marienplatz. Dieser sei nämlich bei amerikanischen Touristen ausgesprochen beliebt, ja die Gäste aus Übersee (nicht das am Chiemsee) seien der Meinung, der Ebersberger Marienplatz wäre ein Bayerisches Kleinstadtjuwel wie es juwelenartiger gar nicht sein könnte.

Was sicher auch seine Gründe in einigen kulturellen Unterschieden hat. So hat man hierzulande zwar allzugerne den amerikanischen Traum des autogerechten Lebens übernommen - die Freude am Fahren bleibt aber meist eine Phrasendrescherei der Werbefritzen. Jedenfalls wenn man nicht selber fährt, sondern die anderen unverschämterweise an einem vorbeifahren, wie es am Marienplatz gelegentlich der Fall ist. Ein Problem, das die Amerikaner - zumindest jene, die ihren Urlaub in Ebersberg verbringen - ganz offenbar nicht kennen, vielleicht freuen sie sich sogar über die ebenso pittoreske wie überaus belebte Innenstadt.

Was die Frage aufwirft, ob eine Verkehrsberuhigung des Marienplatzes wirklich der Weisheit letzter Schluss ist - oder ob sich die Kreisstadt damit eines ihrer Alleinstellungsmerkmale als Urlaubsziel beraubt. Da eine Verkehrsberuhigung der Ebersberger Mitte ja ohnehin noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte auf sich warten lassen dürfte, sollte man vielleicht wenigstens so lange das Tourismuspotenzial des ausdrücklich nicht verkehrsberuhigten Marienplatzes offensiv vermarkten. Etwa im Rahmen der Stadtführungen. Hier könnte man doch, speziell für Gäste aus den USA, die geschmackvolle Kombination aus Architektur und Automobilkonstruktion süddeutschen Stils vermitteln, mit Freude zu beobachten at Saint Mary's Place of Boarshill.

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