Mitten in Ebersberg:Sprachkunst im Hinterland

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Ein Schild mit der Aufschrift "Mia kaffn dei Gros" lädt Urlaubsgäste und Einheimische gleichermaßen zum Grübeln ein. Und bietet gleich eine ganze Reihe von Möglichkeiten zur Fehlinterpretation

Kolumne von Alexandra Leuthner

Italien ist ja ein Land der schönen Dinge - allen internen Widersprüchen zum Trotz; der schönen Künste ebenso wie der schönen Aussichten: Zypressenalleen, Hügellandschaften, hier und da mal ein paar alte Steine. Nun ist Schönheit das Eine, Kunst das andere. Doch Kunst lebt von Spannung, und so haben die Italiener vielleicht nur deshalb das Plakat erfunden, das sie gerne mal in die schöne Idylle stellen, um den Weg zum nächsten Cityper oder Lidl zu beschildern, auf den Parkplatz der historischen Altstadt zu leiten oder einfach nur um darauf hinzu weisen, dass die Osteria, an welcher der geneigte Automobilista gerade vorbei fährt, "aperto", die nächste Tankstelle aber "chiuso" ist. So weit, so gut. Der Tourist wird die Hinweise zu schätzen wissen, auch mit nur rudimentären Sprachkenntnissen aus dem Gelesenen geeignete Schlüsse ziehen. Der besorgte Blick auf den Tacho wird ihn vielleicht in die Osteria einkehren und so lange der Pasta und dem Wein zusprechen lassen, bis das Lokal "chiuso", dafür die Tankstelle wieder "aperto" ist.

Welche Schlüsse aber soll ein Besucher des fast ebenso idyllischen Ebersberger Landes ziehen, wenn er versucht ein Plakat zu übersetzen, das zwischen Gsprait und Ebersberg in der Wiese neben der Rosenheimer Straße aufgebaut ist: "Mia kaffn dei Gros". Wenn selbst der Einheimische angesichts dieser dialektalischen Drohung überlegen muss, ob er eine neue Brille braucht, sich ein Buchstabendreher in sein Gehirn geschlichen hat. Ein Urlaubsgast wird auf jeden Fall ins Grübeln kommen und je nachdem, ob er jenseits des Weißwurstäquators sprachlich sozialisiert wurde, oder in irgendeinem Ausland, sich vielleicht eine Geschichte zusammen spinnen, in der eine Frau namens Mia, ein kleiner Ort, auch Kaff genannt - oder zwei davon - vorkommen. Ein Franzose wird vielleicht erwägen, ob "Kaff" eine Kulinarische Spezialität sei und man sie im Großhandel kaufen kann. Da das Wort "Kaffer", aus Zeiten des Kolonialismus stammt und heute in Südafrika und Namibia als "hate speech" bei Strafe verboten ist, mögen Gäste aus den entsprechenden Ländern ihre ganz eigenen Assoziationen haben. Apropos Assoziationen: Auch wer es schafft, das Wort "Gros" richtig zu übersetzen, könnte den Satz falsch verstehen. Doch hätte der Rohstoffbetrieb von dem das Plakat stammt, nur geschrieben, dass er Gras kaufen möchte, hätte die Sache ja gar keinen künstlerischen Wert.

© SZ vom 24.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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