Mitten in Ebersberg:So geht's dahin

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Im Herbst wird an Feiertagen nicht gefeiert, sondern an die Vergänglichkeit erinnert. Bisweilen passiert das selbst im buntesten Trubel

Kolumne von Wieland Bögel

Der Herbst, um so stärker je mehr er in den Winter übergeht, ist die Zeit des Verfalls, des Absterbens - ja, seien wir ehrlich, die Zeit, in der sich Vergänglichkeit und Tod dem oftmals vor Kälte oder Erschauern fröstelnden Betrachter präsentieren. Dies ist jetzt keine ganz neue Beobachtung, was sich auch aus der Tatsache ersehen lässt, dass es im Herbst zwar einige Feiertage gibt, an denen dann traditionell aber eher nicht gefeiert, sondern der - genau - Vergänglichkeit gedacht wird: Allerheiligen oder Allerseelen, Totensonn- oder Buß- und Bet- beziehungsweise Volkstrauertag, klingt alles nicht so richtig nach Party.

Nur gut, dass wir immer noch im Kapitalismus sind, wo das Fehlen von egal was sofort als Marktlücke begriffen wird. Im Falle der fehlenden Heiterkeit im Herbst sind findige Geschäftemacher daher schon vor Jahrzehnten auf die Idee gekommen, den alten angelsächsischen Brauch des All Hallows Eve zu einem Event mit Kostümen, Kürbislaternen und Kamellen zu machen. Seit einigen Jahren ist dieser neue Brauch auch in der alten Welt sehr präsent. Was - auch das ein alter Brauch, nicht nur im Herbst - zu vielerlei kulturpessimistischen Betrachtungen Anlass gibt. Wozu bei genauerer Betrachtung aber nicht unbedingt ein Anlass besteht, wie nun ein Beispiel aus Ebersberg zeigt.

Dort findet - sicher ganz zur Unfreude der Kulturpessimisten - an diesem Mittwochabend eine Halloween-Party im Alten Speicher statt. Also Musik, Tanzen, Trinken und was sonst noch zu einer Party dazugehört und sich insgesamt tatsächlich gar nicht mal nach Vergänglich- oder Besinnlichkeit anhört. Wobei: Es handelt sich bei der Feier nicht nur um eine Halloween-, sondern auch um eine Ü-30-Party. Bei dieser besonderen Form der Belustigung werden nur Leute ab einem bestimmten Alter eingelassen - im konkreten Fall liegt die Untergrenze bei 27 Jahren - um die schon etwas angejahrteren Partygäste nicht mit der Zurschaustellung von Jugend an den Verlust der eigenen selbigen zu erinnern. Was aber, wie Kommunikationswissenschaftler herausgefunden haben, zwangsläufig auf das Gegenteil hinausläuft, eine Art Marktlücke der ideellen Art sozusagen, und vor allem ein massives Memento der eigenen Vergänglichkeit. Verschärft wird es im aktuellen Fall noch dadurch, dass es sich um eine Party zwar nicht mit Kostümzwang handelt, das Anlegen einer möglichst gruseligen Verkleidung dennoch mit sozialem Zuspruch rechnen kann.

Nun also folgendes Szenario: Person (m/w), über 30, erhält auf der Halloweenparty ständig Komplimente für das tolle Zombie-, Vampir- oder sonstige Untotenkostüm - obwohl er oder sie ganz unkostümiert erschienen ist: "Vanitas vanitatum", mehr Vergänglichkeit geht nicht, da kommt im Vergleich dazu bei Totengedenken und Gräberumgang doch direkt Partystimmung auf.

© SZ vom 31.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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