Mitten in Ebersberg:Ode an den Schnellfriseur

Bedingungslose Treue ein Leben lang, das wollte man David versprechen. Doch der macht sich einfach so davon.

Von Claudia Wessel

David, wo bist du? Du hast mir doch noch so nett eure Karte gegeben und eigenhändig in Schreibschrift deinen Namen drauf notiert. Ich habe sie sorgfältig aufgehoben und mich genau nach Ablauf der von dir vorgeschriebenen Zeit gemeldet. Ich habe mich auf unser Wiedersehen gefreut, allein dein Anblick war es wert. Alter: irgendetwas zwischen 25 und 31. Figur: top. Kleidung: knallenges T-Shirt. Oberarme: perfekt und verziert mit unentzifferbaren Tattoos. Frisur: vorbildlich. Du sahst aus wie ein Fußballstar, an den Seiten des Kopfes rasiert, in der Mitte ein formschöner Haarturm. Allein das sprach für deine Kompetenz.

Die hast du mir dann auch zukommen lassen. David, du wärest in der Lage gewesen, mein sprunghaftes Leben bezüglich Deinesgleichen zu beenden, ich wäre dir treu geblieben und immer nur mittwochs gekommen. Du sagtest mir noch, du seist immer mittwochs da, ob das bei mir auch ginge, was ich bejahte. "Abends ja." Du warst erfreut. Doch als ich dann später die Nummer auf der Karte wählte, war eine Dame dran. "David? Der ist nicht mehr da." Verflixt, schon wieder ein verschwundener Friseur!

Warum passiert mir das dauernd? Zugegeben, ich liebe diese Schnellfriseure. Nicht nur, weil sie wenig kosten, sondern weil man da einfach so reinspazieren kann, genau in dem Moment, in dem man unmöglich aussieht. So was kommt ja immer über Nacht. Plötzlich schaut man in den Spiegel, und die Frisur ist eine Zumutung. So ein Tag war es auch, als ich David kennenlernte. David war in jenem Salon zuständig für die Damen. Nach fachmännischem Beäugen riet er, die Haare ein wenig länger wachsen zu lassen und dann rettete er, was zu retten war. Ich war ihm sofort verfallen.

Doch es kam wie immer. Der von mir auserkorene Schnellfriseur war von einem Tag auf den anderen nicht mehr da. Es gibt schon eine lange Liste. Ein Murat und eine Andrea, ein Ali und eine Sandra, ein Peter und eine Salome. Alle hatten mir große Hoffnungen gemacht, doch dann vergaßen sie mich. Was mache ich bloß falsch? Vielleicht kann David es mir erklären. Bitte melden!

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