Mitten in Ebersberg:Im Sandkasten der Gesetzlosigkeit

Auf Spielplätzen ist aller Besitz im Fluss, das lernen die Kinder schnell. Doch manchmal gibt es auch einen späten Triumph zu feiern

Kolumne von Franziska Langhammer

Ein Spielplatz ist ein Haifischbecken. Jeder, der schon einmal mit Kindern oder Enkeln oder Freundesfamilien einen Fuß auf den Sand des Spielbodens gesetzt hat, wird bestätigen können, dass hier andere, ungeschriebene Gesetze herrschen.

Beispielhaft sind die Sandspielsachen. Regel Nummer 1: Alles, was rumliegt, gehört auch allen. Regel Nummer 2: So gut du auch aufpasst, du wirst nach dem Spielplatzbesuch entweder mit mehr oder weniger Förmchen und Schaufeln im Gepäck nach Hause gehen. Aller Besitz ist im Fluss. Drittens: Auch Beschriftungen nutzen nix.

Kinder inhalieren diese Regeln meist mit dem ersten Sand ein, den sie sich in die Schnute stecken. Sie juckt im Großteil der Fälle nicht, ob es Hannas oder Julians Kuchenform ist, mit der sie auf die Sandburgen der anderen Kinder eindreschen. Vor kurzem nun schien dem Anderthalbjährigen diese stille Übereinkunft eine dunkle Vorahnung beschert zu haben, denn er nahm, als andere Kinder auf dem Spielplatz auftauchten, abrupt seinen Plastikbagger und verschwand in den Hecken, um ohne diesen daraus wieder aufzutauchen. Die Oma fischte das gelbe Gerät hervor und wollte es in den Sand stellen. Blitzschnell nahm der Kleine das gute Stück erneut und beeilte sich, es diesmal an eine bessere, wenig zugänglichere Stelle zu verfrachten. Auch gutes Zureden half nicht. Erst als es Richtung nach Hause ging, konnte der Bagger geborgen und mitgenommen werden. Da hat einer seine Hausaufgaben gemacht.

Ob ein anderes Kind, das wir hier Elisa-Marie nennen wollen, vor Jahren ebenso besorgt um seine Spielsachen war, oder ob ein anderer schlicht zu tief gegraben hat, das lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Fest steht, dass jemand sehr gründlich war. Die vierjährige Tochter nämlich hatte sehr tief gebuddelt, als sie vor einigen Wochen eine leicht eingerissene Lokomotiven-Sandform zu Tage beförderte. Einige Jahre muss das Förmchen im kalten Sand verbracht haben. "Elisa-Marie" stand darauf. Ein ungewöhnlicher Name, zu dem es aber ein Gesicht im entfernteren Bekanntenkreis gibt - ein mittlerweile etwa achtjähriges Mädchen. Wenig später traf man zufällig die Mutter von Elisa-Marie und erzählte ihr von dem Fund. Die Mutter meinte leichthin, man könne das gute Stück nun gerne selbst zum Spielen benutzen.

Keine drei Tage später trat die Mutter nochmals auf einen zu und sagte, etwas verschämt, Elisa-Marie hätte doch gern das Förmchen zurück. Nur so, als Erinnerung. Und so kam das Lokomotivchen nach Jahren wieder zu seiner wahren Besitzerin zurück. Dieser Kreislauf kann nun unterschiedlich gewertet werden: als später Triumph über die Gesetze des Spielplatzes. Oder einfach als schönes Wiedersehen mit Gefährten aus der frühen Kindheit.

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