Mitten in Ebersberg:Gute Frage, nächste Frage

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Mit der Frage nach der Schuhgröße des Postboten versucht der Staatsanwalt, einem verschwundenen Paket mit Damenschuhen auf die Spur zu kommen.

Von Wieland Bögel

Man nehme sich immer die Zeit, eine Frage zu stellen, empfahl einst Oscar Wilde. Ein Rat der ganz besonders, wenn es um die Wahrheitsfindung geht, sehr zu beherzigen ist, weshalb in Gerichtsverhandlungen auch meist sehr viel gefragt wird. Dabei gibt es häufige und eher ungewöhnliche Fragen. Zu ersteren gehört etwa diejenige nach dem Alibi, zu letzteren beispielsweise jene nach der Schuhgröße. Genau diese wollte nun der Staatsanwalt in einem Verfahren vor dem Amtsgericht vom Angeklagten wissen.

Dieser - ein Paketbote - war beschuldigt, ein Päckchen nicht ordnungsgemäß ausgeliefert, sondern für sich behalten zu haben. Inhalt: ein Paar Damenschuhe, Größe 39 und offenbar von einem namhaften Hersteller, zumindest legt dies der doch eher stolze Preis von 385 Euro nahe. Was er aber nicht gewusst habe, so der Angeklagte. Er sei davon ausgegangen, dass sich "wichtige Medikamente" in dem Päckchen befänden. Denn so stand es auf einem Zettel an der Wohnungstür der Empfängerin des Pakets, verbunden mit der Bitte, dieses doch vor der Türe abzulegen. Was der Bote dann seinen Angaben nach auch tat und in seinem Handscanner entsprechend die Notiz "V. T." eintrug - für "vor der Tür abgelegt". Keinesfalls habe er damit eine Unterschrift oder Signatur der Empfängerin fälschen wollen, wie es ihm die Anklage ebenfalls zur Last legte - und ihn damit indirekt des Analphabetismus bezichtigte: In den Initialen der rechtmäßigen Schuhbesitzerin zumindest kommt weder ein V noch ein T vor.

Dass er aber einen Fehler gemacht habe, indem er das Paket einfach unbeaufsichtigt vor der Türe abgesetzt hatte, gab der Angeklagte bei Gericht nun unumwunden zu. Denn laut den Vorschriften dürfen Paketboten dies nur dann tun, wenn die Empfänger dem Paketdienst eine sogenannte Abstellgenehmigung erteilt und damit den Zusteller aus der Haftung entlassen. Auch, so der Angeklagte, habe er vergessen, zusammen mit dem Paket eine Nachricht zu hinterlassen. Darum habe er den nicht unbeträchtlichen Wert der Sendung auch bereits ersetzt. Das Gericht urteilte im Zweifel für den Angeklagten und stellte das Verfahren ein. Genützt hätten die Schuhe dem Paketboten im Übrigen sowieso nichts - er trägt nach eigener Auskunft Schuhe der Größe 42.

© SZ vom 29.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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