Der Abschied hat immer zwei Seiten. Beobachten kann man das etwa, wenn man sich am letzten Schultag vor die Grundschule stellt. Heraus stürmen nach Ertönen des Gongs zuerst die laut jubelnden Kinder, die sich ihren Eltern in die Arme werfen und ihren Schulranzen in die Ecke: Endlich Ferien! So glücklich hat man so manchen von ihnen das ganze Schuljahr nicht strahlen sehen.
Andere Mädchen und Jungs trotten mit hängenden Köpfen heraus. Einige haben Tränen in den Augen, anderen laufen sie schon in Sturzfluten über die Wangen. Fragt man sie besorgt, was los ist, kommt ein Schluchzen: „Meine Lehrerin geht weg!“ Meistens nämlich wechseln die Lehrkräfte nach der zweiten und nach der vierten Klasse. Nicht einmal die Aussicht auf sechs Wochen Ausschlafen und Hausaufgabenfrei können sie trösten.
Auch in der Familie ist der Abschied kein beliebtes Hobby. Am besten läuft es, wenn man kein Grußwort an die Kinder richtet, sondern sie fröhlich lächelnd in den Kindergarten schiebt. Sobald aber Sätze wie „Bis später!“ oder „Hab eine schöne Zeit!“ fallen, kann es sein, dass eines der Kinder sich umdreht und zu heulen beginnt. Einfach, weil die Trennung jetzt verbal festgehalten wurde. Was ich nicht höre, das macht mich auch nicht traurig.
Aber nicht nur Kinder tun sich manchmal schwer mit dem Loslassen. Eine Freundin erzählte vor Jahren, ihr damaliger Partner könne sich schlecht von ihr trennen. Er würde oft anrufen und fragen, wie es geht. Oder sie nachts abholen, wenn sie mit anderen Freunden unterwegs war. Oder an die Badezimmertür klopfen, wenn sie beim Zähneputzen war, und fragen, ob alles in Ordnung ist. Schließlich hielt sie diese Trennungsangst nicht mehr aus und trennte sich.
Ja, das leidige Abschiednehmen. Wie kann man es den Kleinen und Großen schmackhaft machen? Hermann Hesse hat es versucht mit seinem wunderbaren Gedicht: Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Manchmal ist es an der Zeit zu gehen, auch wenn man es schweren Herzens tut. Aber allen, die sich schwer trennen können, sei gesagt: Je schwerer einem der Abschied fällt, umso schöner war die Zeit davor. Und das ist doch auch irgendwie tröstlich.