Mitten in Ebersberg:Die Buchstaben sind gefallen

Lesezeit: 1 Min.

Im nicht endenden Dauerlockdown ist es gut, wenn man sich auf ein paar Dinge verlassen kann - wie kuriose Neologismen bei Scrabble

Glosse von Nathalie Stenger

Man weiß, es war ein guter Pandemietag, wenn an dessen Ende schon beinahe vergessen ist, warum man in seinen besten Jahren an einem schönen Abend daheim rumsitzt. Scrabble sei Dank. Das Spiel des Worte-Legens lässt in Zeiten wie diesen das Herz schneller schlagen. Besonders wenn das Spielfeld anfangs mit "Rohöl" beglückt wird. Was für ein Wort! Mit den satten 15 Punkten zum Beginn packt einen auch direkt der Ehrgeiz, so kompetitiv war man schon seit Anbeginn des zweiten Lockdowns nicht mehr, als man mit Wissen und Wortgewandtheit noch beim Pub-Quiz um sich schlagen konnte.

Jetzt also im Duell: Mutter gegen Tochter, beide mit vollen Getränken und determiniert zu gewinnen. Es werden kulant die Omis und der Ätna geduldet, dreist einzelne Buchstaben an kurze Verben gelegt und dekadent viele Punkte kassiert. Persönlich dramatisch ist das nicht zu legende Requiem: Es findet sich einfach kein geeignetes Steinchen zum Anbauen. So schade um das Wort, das man im normalen Sprachgebrauch bisher vielleicht zweimal genutzt hat, nun aber optimal als vorgetäuschtes Wissen um Kirchenmusik gedient hätte. Apropos, bei diesem Spiel wird auch deutlich, wo man sonstige Fakten aus der Schulzeit endlich im Alltag nutzen kann. Luv aus Geografie zum Beispiel (das war das mit dem Wind und dem Berg) wird elegant senkrecht zwischen das Lexikon und den Vorrat gequetscht und besonders stolz ist eine Nicht-Mathematikerin auf den Oktanten. Es wird ein knappes Rennen, doch letztendlich macht die japanische Währung auf dem doppelten Buchstabenwert und das Queren auf dem doppelten Wortwertfeld der Gegnerin den Garaus. Freude, Hormone, Endorphine - alles durchströmt den Körper. Gleich nochmal.

Doch wird die nächste Partie auf den Folgetag verschoben. Immerhin muss man sich gute Laune heutzutage auf verschiedene Gelegenheiten aufteilen. Womöglich fürchtet man aber auch, dass die nächste Runde der vorherigen einfach nicht das Wasser reichen kann. Und man liegt ganz recht, gibt das neue Spiel kaum Überzeugenderes her als den "Bettritt". Den gibt es natürlich nicht wirklich, aber tatsächlich wird es an diesem Abend nicht besser. Nur gut, dass man an gute alte Zeiten denken kann.

© SZ vom 15.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: