Mitten in Ebersberg:Der Triumph der Handschuhrebellen

Papa schaut kurz weg - und, zack, schon wieder ist ein Handschuh verloren. Vielleicht sollte man anfangen, die Einzelstücke zu sammeln?

Kolumne von Franziska Langhammer

Winterzeit, Handschuhzeit. Nicht nur Finger bedeckt dieses Kleidungsstück in den frostigen Monaten, sondern auch Zaunpfähle, Gehwege, Mauervorsprünge im ganzen Landkreis. Mehr Handschuhe als Schnee gibt es derzeit. Nur Hundekacke liegt in der Statistik der Straßenpräsenz noch weiter vorn. Drinnen, so könnte man denken, dekoriert man mit Strohsternen, draußen mit Handschuhen. Synkopisch verteilt, muten sie an wie Nachrichten von ihren kleinen Trägern, die ihrer müde geworden sind. Papa schaut nicht hin, und zack, isser drunten, der Handschuh. Umso größer der Triumph, wenn es Papa dann auch nicht merkt und den Kinderwagen weiterschiebt. Ui, da wird Mama zuhause wieder schimpfen. Zurück bleibt ein einsamer Fingerwärmer, der mit viel Glück vom nächsten Passanten hochgehoben und an einer sichtbaren Stelle positioniert wird.

Wohin man auch sieht dieser Tage, allerorts finden sie sich, einzelne meist. Auf dem Briefkasten der ansässigen Kinderärztin etwa liegt derzeit ein hellblauer, aus Plüsch, schätzungsweise für Träger im Alter bis anderthalb Jahren angedacht. Auch auf der Straße vor dem Pfarrheim, munkelt man, soll sich ein roter Handschutz, linksseitig, Marke Fäustling (das sind die mit dem Daumen), haben blicken lassen. Doch wo führt die Einzelteile der weitere Weg, wenn sie nicht von der örtlichen Müllabfuhr eingesackt werden? Verschwindend gering ist der Anteil derjenigen, die es ins Fundbüro schaffen. In Ebersberg etwa wartet derzeit nur ein einziges Lederhandschuh-Paar auf seinen (vermutlich schon großen) Besitzer. Vaterstettens Fundbüro kann mindestens zwei Paar und einen einzelnen Handschuh vorweisen. Und der Rest?

Findige Finder könnten ihrerseits den gefundenen Handschuh behalten und, falls zuhause vorrätig, mit einem anderen Einzelstück kombinieren. Es lebe das Kunterbunt! Wer sagt schon, dass Handschuhpaare immer aus zwei gleichen Teilen bestehen müssen? Oder, um es noch anarchischer zu gestalten: aus einem rechten und einem linken? War es nicht sogar Michael Jackson himself, der als Markenzeichen immer nur einen einzigen Handschuh trug? Der, das sei am Rande bemerkt, seinerzeit für fast 200 000 Dollar versteigert worden ist; aber wer will schon auf einen derart zahlungswilligen Käufer spekulieren. Wem das alles nicht konform genug ist, dem sei zu einem Ausflug in die 80er geraten. Schon damals war man den kleinen Handschuhrebellen auf die Schliche gekommen und hatte kurzerhand aus zwei Kleidungsstücken eines gemacht: Schnürchen dran, und fertig. Sollte Papa das nächste Mal wieder nicht aufpassen, liegt er dann zumindest nicht allein auf der Straße, der Handschuh.

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