Mitten in Ebersberg:Das Ungetüm der Ungeduld

Hektisch geht es zuweilen zu in der Kreisstadt. Da sind geduldige Menschen eine gern gesehene Abwechslung - und man trifft sie sogar an Orten, an denen man sie gar nicht vermuten würde

kolumne Von Korbinian Eisenberger

Zu den Eigenheiten des Ebersbergers zählt offenbar der Hang zur Ungeduld. Sie zeigt sich, wenn er an einer gesperrten Straße warten soll, oder wenn ihm ein langsamer Lastwagen im Ebersberger Forst im Weg ist. Der Charakterzug der Ungeduld führt so immer wieder zu allerlei Manövern, bei denen sich die Bewohner dieser Kreisstadt stets gegenseitig überbieten. Und so mancher wird ob seiner Ungeduld von der Polizei ertappt.

Um ein vielseitigeres Bild der Stadtbewohner zu erhalten, hilft bisweilen, jenen zuzuschauen, die abseits der Straßen warten. Zum Beispiel in einem Supermarkt. Beim Edeka Peschel in Ebersberg staut es sich zu den Stoßzeiten auch ganz gern an den Kassen. Die große Kunst in so einem Moment ist es, sich mit dem Körbchen in der Hand zwischen Regalen und Einkaufswagen durchzuwinden und die kürzeste Schlange zu finden. Ein Zeitgewinn. Wie bei einem Sportwagenfahrer, der sich zwischen Betonmischer und Lastwagen durch eine Baustelle mogelt.

Dem zeitsparenden Manöver folgt eine Szene, die sich ohne Rückspiegel auf der akustischen Ebene abspielt. "Mögen Sie vor?", sagt eine Frauenstimme. "Nein danke, ich bin im Urlaub und hab alle Zeit der Welt", sagt eine Männerstimme. "Ich auch, ich bin in Rente", sagt wiederum die Frau. Beide lachen in sich hinein und legen ihre Einkäufe aufs Band. Genauso gut hätte sie zu ihrem Vordermann sagen können: Ertappt, Sie Ungeduldiger.

© SZ vom 07.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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