Mitten in Ebersberg:Abendlicher Küchentrip

In hinteren Ecken von Schränken lauern bissweilen berauschende Überraschungen

Kolumne von Nathalie Stenger

Verwendbar bis September 2014. Autsch. Ob der noch gut ist? Vorsichtiges Schnüffeln an der geöffneten Packung, ein beißender Gestank zieht in die Nase, er erinnert stark an Zahnpasta. Aber auf ungute Art und Weise. Was um Himmels willen hat sich da im hinteresten Eck des Regals versteckt? Medizin?

Das Teewasser ist längst gekocht, die Tasse steht bereit, nur der Inhalt fehlt noch. Was also darf es sein - Fruchtige Fröhlichkeit, edler Earl Grey oder doch der rasende Rausch im kleinen Tütchen? Anscheinend ein Schlaf- und Nerventee. Mit Hopfenzapfen! Angesichts der sechs Jahre (mindestens), die das Päckchen schon im Küchenschrank schlummert, müssen die Inhaltsstoffe eine Wirkung haben, wie von einem anderen Stern. Der Geruch jedenfalls hat sich über die Nasennebenhöhlen längst ins Hirn gefräst, die Baldrianwurzel lässt das Auge zucken und der Bittere Fenchel scheint seine Geschmacksnote exponentiell vervielfacht zu haben.

Ist es den Versuch trotzdem wert? Während man noch schwankt zwischen einem sanften und berechenbaren Kamillentee und der olfaktorisch maximal anspruchsvollen Mischung ohne Gewähr fällt der Blick auf das Gemüse auf der Theke, das noch aufgeräumt werden muss. Wenn man schon mal beim Thema ist - war da nicht auch mal etwas mit Tomaten? Tatsächlich enthält der Strunk einer Tomate das Nervengift Solanin, allerdings in so geringen Mengen, dass man schon wirklich eine ungeheure Menge Caprese konsumieren müsste, um etwas zu spüren. Was dann aber eher unangenehme Symptome mit sich bringt, das Internet spricht von Übelkeit, Durchfall und Kopfschmerzen.

Ansprechender wäre so gesehen der Genuss von Mohn. In der Antike wohl als Schlafmittel für Kinder genutzt, bildet der Saft der in der Pflanze enthaltenen Alkaloide in getrockneter Form auch heute noch das altbekannte Opium. Der Anbau von Schlafmohn ist in Deutschland allerdings genehmigungspflichtig. Wie praktisch, dass die Pflanzenart in Form von Schnecken, Kuchen und Zöpfen bei jedem herkömmlichen Bäcker erhältlich ist. Aber Achtung: Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt nicht mehr als 50 Gramm Mohn am Tag. Sonst kann es durchaus sein, dass bei einem Drogentest Morphin gefunden wird.

Dann doch lieber den Tee.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: