Mitten in der S-Bahn:Stilvoll kuscheln

Neue S-Bahn Vorstellung Grafing-Bahnhof

In der Kuschelecke: S-Bahn-Chef Heiko Büttner, Qualitätsbeauftragter Wolfgang Oeser, der Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß und Günter Menzl, MVV-Koordinator der Landkreise (von links), bei der Vorstellung der neuen S-Bahn.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die neuen Züge haben es in sich: Nämlich eine Kuschelecke. Nur schade, dass die Passagiere damit noch etwas fremdeln.

Kolumne von Amelie Hörger

Die morgendliche Zeit, die man in der Bahn verbringt, sei es auf dem Weg zur Arbeit, Schule oder einem kleinen Einkaufsbummel, ist für viele eine Phase der Ruhe und stillen Einkehr. Zeitung lesen, Musik hören oder über den bevorstehenden Tag nachdenken, so vertreibt man sich die Zeit, bis das Ziel erreicht ist.

Gut, eingezwickt zwischen Aktentaschen, halsbrecherisch ausbalancierten Kaffeebechern und einem Wirrwarr aus Gliedmaßen, lässt sich schwerlich von Freiraum und Einsamkeit sprechen, doch hier sollen die neuen, hochmodernen, bestens designten S-Bahnen, die sporadisch bereits im Landkreis eingesetzt werden, Abhilfe schaffen. Also sowohl dem Platzmangel als auch der traurigen Einsamkeit. Denn in der innovativen neuen Bahn, da wird gekuschelt. Aber nicht gezwungenermaßen auf dem Gang, unkontrolliert, weil so viele Pendler die S-Bahn bevölkern. Gezielt gekuschelt lautet die Devise, in der extra dafür eingerichteten Kuschelecke, am Ende jedes Waggons. Eine hufeisenförmige Bank ermöglicht hierbei den Bahnfahrern ein stilvolles Füßeln in einer modernen Umgebung.

Ein Umfeld, das den Wohlfühlfaktor allein schon auf der Außenseite der Bahn zur Schau stellt. Auf den Anzeigetafeln des modernen Wagens wird in leuchtenden Lettern das elitäre Publikum willkommen geheißen. Eigentlich wollte man zwar Richtung Geltendorf, aber "Willkommen" klingt ja auch nicht schlecht. Einmal ins Innere getreten, fallen die Reaktionen unterschiedlich aus. Von erstaunten Blicken zu verwunderten Rufen oder einem entsetzten Versteinern innerhalb der Lichtschranke, das Repertoire an Gesichtsausdrücken der Neueinsteigenden ist ebenso vielseitig wie die Positionen, die in der Kuschelecke eingenommen werden können.

Ist der erste Schock über die wenigen Sitzplätze im Innenraum sowie den damit geschaffenen Platz erst einmal überwunden, sucht man zwar immer noch vergeblich das Symbol für kostenfreies Internet, doch das hat an einem so hochtechnischen und modernen Ort wie dem neuen S-Bahn-Waggon wirklich nicht zu suchen. Am Ende lenkt dies noch von der eigentlichen Mission ab: Stilvoll kuscheln. Doch das will gelernt sein, denn die Bank bleibt meistens einsam und verwaist in der Ecke stehen. Vielleicht sind die Bahnfahrer noch nicht bereit für so viel Liebe und Nähe. Besonders am frühen Morgen.

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