Süddeutsche Zeitung

Mitten in der Region:Eierloch für die Ewigkeit

Seit Generationen wiederholen Kindergartenkinder die selben Reime und Lieder. Mit einem dieser Songs hat ein kleines Mädchen einen großen Auftritt im Supermarkt.

Glosse von Iris Hilberth

Es gibt ein Alter, in dem singen Kinder völlig ungeniert in der Öffentlichkeit. In der Trambahn, auf der Schaukel, im Supermarkt. Lauthals, immer wieder dasselbe. Meist sind das nicht die Lieder, die ihnen das Personal in den Betreuungseinrichtung beigebracht hat. Es sind überwiegend Songs und Reime zweifelhafter Herkunft, bei denen der zufällige Zuhörer stutzig wird: Das kenne ich doch, von meinen Kindern, die längst groß sind, vielleicht sogar aus der eigenen Kindheit. Das sind die wahren Evergreens.

So ist also dieses kleine Mädchen, vielleicht vier Jahre alt, diese Woche durch die Gänge des Vollsortimenters in Unterhaching gewippt, riesige Spiegelsonnenbrille auf der Nase, Glitzertasche um den Hals, die Mama an der Hand. Neben der Wursttheke: "I like to move it, move it." Vor dem Müsliregal: "I like to move it, move it." Mit Blick auf die Tchibo-Angebote: "I like to move it, move it." An der Kasse: "I like to move it, move it." Wie lang ist es her, dass dieser Song in den Charts war? 1994 war das.

Dass Generationen von Kindergartenkindern "I like to move it" intonieren, liegt aber auch daran, dass im Trickfilm "Madagascar" von 2005 einer der Hauptcharaktere, nämlich Julien der 13., König der Lemuren, zu diesem Song einen ganz großen Auftritt hat. Damit beeindruckt der coole Primat offenbar noch heute Kinder im Vorschulalter.

Man weiß wenigstens, wo das herkommt.

Das lässt sich von vielen anderen Gassenhauern aus der Kita nicht mehr nachvollziehen. Vielleicht auch, weil sie noch viel weiter zurückreichen als "I like to move it". Unverwüstlich ist etwa "Aprikose in der Hose" - na, wie geht es weiter? Genau: "Marmelade im Schuh." Auch die Großeltern-Generation rief schon "Aus der Bahn, Kartoffelschmarrn". Zeitlos schön ist offenbar auch "Zicke Zacke Hühnerkacke". Damit nähert man sich thematisch dem wohl seltsamsten Kindergartenspruch, der sich ebenfalls hartnäckig seit Jahrzehnten hält: "Fang mich doch, du Eierloch!" Wunderbar! Es konnte von Erwachsenen nämlich nie geklärt werden, was ein Eierloch eigentlich ist. Im Duden findet man zwischen Eierlikör und Eierlöffel, wo das Eierloch eigentlich hingehören würde: nichts. Online wird man gefragt: Meinten Sie Eierkocher, Fingerloch oder Eiermilch? Move it!

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Quelle:
SZ vom 17.03.2023
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