In Paris hängt das Gemälde "Die Freiheit führt das Volk" von Eugène Delacroix, es zeigt eine Szene aus der Französischen Revolution.
Die Verbindung dieses Bildes zum Landkreis Ebersberg beginnt mit der Autobahn A 94, die, wenn man sie an der richtigen Stelle verlässt, irgendwann bis nach Paris führt. Auf genau dieser Autobahn geht es zwar nicht immer zivilisiert zu, aber deutlich weniger revolutionär als im späten 18. Jahrhundert. Vor dem 80er-Schild am Baustelleneingang auf Höhe Markt Schwabens bremsen die meisten Autofahrer sogar brav herunter. Regelgetreu und systemkonform.
Wäre der Künstler Delacroix noch am Leben, er würde sich eher für den Baustellenausgang interessieren. Dort ist zwar eine elektronische Anzeige aufgebaut, die ist aber so gut wie immer schwarz - weit und breit kein Hinweis, dass mit der Ausfahrt aus der Baustelle auch die 80er-Zone enden soll.
Welch perfider Frevel gegen die Freiheit, Delacroix wäre sicherlich erzürnt. Wie wenn ein Literat auf das zweite Anführungszeichen verzichten und seine Stimme für immer dem Zitierten überlassen würde. So ein Autor könnte genauso einpacken, wie ein Maler, der es nicht schafft, sein Gemälde zu vollenden.
Die gelben Pinselstriche auf dem Asphalt der A 94 enden nach 800 Metern Engstelle. Und plötzlich ist es vorbei mit der Systemtreue: Kaum ist die Baustelle durchfahren, treten die Autofahrer aufs Gaspedal und brettern Richtung Forstinning, als hätte man sie zum Sturm auf die Bastille gerufen.
Das Schild, das nicht da ist, beachten sie einfach nicht. Eugène Delacroix hätte seine Freude, er würde die revolutionäre Szene sicherlich in einem Gemälde verewigen. Und auf der A 94? Da bleibt immerhin die Chance auf ein Blitzerfoto.