Süddeutsche Zeitung

Mitten im Fasching:Western war gestern

Die Vorschriften für den Kinderfasching zeigen einen bedenklichen Trend: Cowboys und Clowns stehen bald auf der Liste der bedrohten Arten

Von Wieland Bögel

Where have all the Cowboys gone?", diese Frage warf vor vielen Jahren Paula Cole in einem Lied auf - und sie ist noch immer aktuell, ja aktueller denn je. Denn der Cowboy gehört, man kann es nicht anders sagen, zu einer bedrohten Spezies. Zogen sie früher noch in großen Gruppen durch die Prärie, oder zumindest durchs Kino- und TV-Programm, ist das Cowboywesen heute vom Aussterben bedroht. In der Prärie, wie auch in Film und Fernsehen gehen die Bestände dramatisch zurück, und nun ist auch noch das letzte Habitat des Cowboys bedroht: der Fasching.

Aktuellstes Beispiel ist die Einladung zum Hohenlindener Kinderfasching. Die jungen Gäste werden darin explizit darauf hingewiesen, dass "Schießen und Rauchen im Haus verboten" sei. Die Frage, warum man für einen Kinderfasching ausdrücklich ein Rauchverbot verhängen muss, scheint zunächst zwar offensichtlich, führt bei näherer Betrachtung aber an der Sache vorbei. Nämlich dass es sich hier ausdrücklich um Cowboy-Diskriminierung handelt. Schließlich sind doch Rauchen und Schießen das Merkmal eines echten Prärie-Helden, das Rauchen manchmal vielleicht sogar noch ein bisschen mehr, als das Schießen. Erinnert sei hier etwa an den berühmten Marlboro-Cowboy, beziehungsweise die zahlreichen Marlboro-Cowboys, die in regelmäßigen Abständen Lungenkrankheiten zum Opfer fallen. Sowohl Rauchen wie auch Schießen, das letztere sogar noch etwas mehr als das erstere, beherrscht, oder beherrschte der Comic-Cowboy Lucky Luke. Der zieht nicht nur schneller als sein Schatten, früher durfte er sich dabei mit der freien Hand auch noch lässig eine Zigarette drehen. Inzwischen teilt Lucky Luke zwar nicht das Schicksal so vieler Marlboro-Cowboys, Rauchen darf er aber mittlerweile genau so wenig wie die Besucher des Hohenlindener Kinderfaschings, seine Zigarette ist bereits vor vielen Jahren dem Radiergummi der Zeichner anheimgefallen.

Noch weiter geht man übrigens beim Kinderfasching in Anzing. Auch dort finden sich westernfeindliche Vorschriften, etwa der Hinweis "kein Schießzeug", und ein, wohl zur Desperado-Abwehr dienendes Gesichtsmaskenverbot. Aber auch dem Faschingsgefährten des Cowboys, dem dummen August, geht es an den Rüschenkragen. Es gilt in Anzing nämlich ebenfalls ein Konfettibann, so dass es vielleicht bald heißen wird, auch das übrigens der Titel eines alten Songs: "Where have all the Clowns gone?"

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Quelle:
SZ vom 29.01.2016
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