Mit Verlusten umgehen:Gemeinsam weniger einsam

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Trauerbegleiter und Erlebnispädagoge Franz Ganslmaier. (Foto: Privat/oh)

Franz Ganslmaier hilft bei den Johannitern in Ebersberg Kindern und Jugendlichen bei der Trauerbewältigung

Interview von Michaela Pelz, Ebersberg

Ein Todesfall in der Familie ist für die Angehörigen immer ein Schock - umso mehr, wenn Kinder und Jugendliche involviert sind. Halt und Hilfe finden diese bei einer Trauerbegleitung, wie sie im Landkreis Ebersberg etwa die Johanniter unter der Leitung des Trauerbegleiters, Erlebnispädagogen und Heilpraktikers für Psychotherapie, Franz Ganslmaier, anbieten. Am 31. Oktober gibt es die Möglichkeit, die Outdoor-Trauergruppe für 13- bis 18-Jährige unverbindlich kennenzulernen.

Herr Ganslmaier, an wen richtet sich Ihr Schnupper-Angebot genau?

An alle Jugendlichen, die einen Menschen verloren haben, der ihnen besonders nahestand. Das können neben Vater, Mutter, Geschwister auch die Großeltern sein, wenn es da eine sehr intensive Bindung gab, weil man vielleicht viel Zeit miteinander verbracht hat.

Welcher Abstand sollte zwischen Tod und Besuch der Trauergruppe liegen?

Bei Kindern muss man das zeitnah auffangen, weil sie mit dem Verlust gar nicht klarkommen können.Bei Jugendlichen liegt der Fall anders: Da vergehen meist zwischen zwei und sechs Monaten, bis sie bereit sind. Teenager wollen die Dinge erst einmal mit sich selbst abmachen.

Was ist der Vorteil davon, die Treffen "outdoor" stattfinden zu lassen?

Beispielsweise beim "Land-Art", also dem kreativen Gestalten mit und in der Natur, lassen sich Gefühle verbildlichen und es kommt auch das zum Vorschein, was man nicht in Worte packen kann. Junge Menschen lernen viel, indem sie etwas tun oder erleben.

Was genau findet dann statt?

Wir arbeiten viel mit Metaphern: Bei "Wir sitzen alle in einem Boot" machen wir zum Beispiel eine gemeinsame Bootstour. Dabei lässt sich erleben, dass es insbesondere als Gruppe gemeinsam vorwärtsgeht. Wenn einer ausschert, scheitert man. Dann klären wir: Welche Unterstützung, Hilfen, Möglichkeiten gibt es im Alltag, um sich wieder an Land zu bringen? Andere Aktivitäten bestehen aus Klettern, mobilen Seilaufbauten (selbst errichtete Elemente aus dem Kletterwaldbereich) und Kooperationsspielen, im Winter Schlittenfahren. Einmal im Halbjahr verbringen wir ein Wochenende beispielsweise auf einer Berghütte mit Kletter- oder Schneeschuhtouren oder auf dem Campingplatz mit Floßbau oder Kanadierfahrt - beides inklusive Selbstversorgung, um den Gruppenzusammenhalt noch intensiver zu erleben.

Gehört auch Shinrin Yoku, das "achtsame Waldbaden zur Stressminderung", dazu?

Durchaus. Die Jugendlichen sollen die Fähigkeit erlernen, sich selbst wahrzunehmen und sich zu regulieren. Nach Traum- und Phantasiereisen machen wir diverse Entspannungsübungen im Wald, welche die Teilnehmer dann später alleine nutzen können, wenn sie wollen.

Unterstützen Sie Ihre Gruppe auch zwischen den Terminen?

Sie können mich über Telegram kontaktieren, wenn es ihnen nicht gut geht oder sie darüberhinausgehende Reflexion benötigen.

Welche Rolle spielt die Gruppe?

Dort sind andere, denen dasselbe widerfahren ist. Der beste Freund versucht vielleicht zu trösten, kann sich aber nicht wirklich hineinversetzen. In der Gruppe hingegen kann man sich gegenseitig verstehen und unterstützen.

Die Altersspanne von 13 bis 18 ist aber doch sehr groß ...

Es sind ja noch weitere Ehrenamtliche mit dabei, wir begleiten die Jugendlichen und vermitteln, wenn es bei Verständnis und Entwicklungsstand doch Unterschiede gibt. Doch tatsächlich funktioniert es überraschend gut: Die 13-Jährige lernt vom 18-Jährigen, der wiederum sieht: Ich muss nicht alle Kämpfe austragen und um jeden Preis erwachsen sein. Jeder darf da sein, wo er oder sie wirklich steht.

Wie groß ist eine Gruppe und wie oft sind die Treffen?

Ab drei bis zehn Teilnehmer und alle drei Wochen, von 10 bis 16 Uhr, in München samstags, in Ebersberg sonntags.

Wie lange verbleiben die Jugendlichen typischerweise in dieser Gruppe?

Die meisten ein bis zwei Jahre. Dabei sind die Einheiten so aufgebaut, dass ein Kurs sechs Monate dauert. Aber es gibt keine Grenze, sie dürfen bleiben, solange es ihnen guttut.

Wie sieht es mit den Kosten aus?

Das Angebot wird über Spenden finanziert, lediglich für das Wochenende fällt ein kleiner Obolus im zweistelligen Bereich an - am Geld soll die Teilnahme definitiv nicht scheitern.

Also ist gar keine Eigenleistung nötig? Nach einem einmaligen Schnupperbesuch, der auch im laufenden Kurs immer möglich ist, erwarten wir uns eine gewisse Verbindlichkeit der Jugendlichen. In der Gruppe wird Vertrauen aufgebaut, man profitiert gegenseitig voneinander. Das sind alles Menschen, die schon jemanden verloren haben, es ist fatal, wenn dann noch ein Ansprechpartner wegfällt. Deswegen sollten sie den Kurs durchziehen und dabeibleiben.

Zurück zum Schnuppertag: Findet der bei jedem Wetter statt?

Ja natürlich! Bei uns gibt es kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung. Aber festes Schuhwerk sollte man schon tragen.

Ihr Schlusswort?

Traut euch, kommt vorbei, probiert es einfach mal aus! Bei uns wird niemand schräg angeschaut.

Der Kennenlern-Termin findet am Sonntag, 31. Oktober, von 10 bis 13 Uhr im Paulhuberweg 4 in Ebersberg statt. Anmeldung telefonisch unter: 089/1247344-12 oder per E-Mail an lacrima.muenchen@johanniter.de.

© SZ vom 28.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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