Süddeutsche Zeitung

Mit Pauken und Paketen:Die Yellow Submachine der Familie Hacker

Die Hackers sind mit dem "Grafinger Jugendorchester" nach Johannesburg gereist. Sie sind zu sechst - und haben ein besonderes Instrument im Gepäck.

Von Korbinian Eisenberger, Johannesburg

Die Quetsche wiegt sieben Kilo, 1000 Gramm zuviel. Das gab Probleme am Check-In-Schalter in München. Ein quietschgelbes Teil vom Modell "Hohner Yellow 48". Als der Besitzer ein sechsjähriger Knirps war, haben ihm seine Eltern die 48er zum ersten Mal in die Hand gedrückt. Und er wollte sie nicht mehr loslassen. Damals wohnte er in Ebersberg. Jetzt ist David Hacker 24 und studiert in München. Über die Jahre hat sich vieles verändert. Nur die 48er, die wollte er am Flughafen auch jetzt nicht aus der Hand geben.

Donnerstagmittag in Johannesburg. Der zweite Tag für das Grafinger Jugendorchester auf seiner Südafrika-Reise. Mittendrin: Familie Hacker aus Ebersberg. Vater Uwe an der Trompete, Mutter Brigitte an der Posaune, die Söhne David, Akkordeon, Florian, Saxofon, und Paul, Klavier. Und die Jüngste im ganzen Team: Marie Hacker, elf Jahre alt - und damit kurz vor dem Umstieg auf eine Erwachsenen-Geige.

In Johannesburg geht in diesen Tagen der Winter zu Neige, die Sonne scheint jetzt auf die Hotelterrasse, ein leichter Wind. Am Vormittag war Probe, gleich geht es für die Hackers zum Mittagessen. "Wir sind nichts Besonderes", sagt Brigitte Hacker, 52, das ist ihr wichtig.

Ganz gewöhnlich ist es aber auch nicht, dieses Bild einer sechsköpfigen Familie, die jetzt mit Geige, Quetsche und Trompete im Garten steht. Und doch passt es so gut. Die Grafinger nennen sich zwar Jugendorchester, sie sind aber seit Jahren eine bunt gemischte Truppe aus Jugendlichen, Mitteljugendlichen und nicht mehr ganz so Jugendlichen. So wie die Familie Hacker eben.

Es war Fasching, die Hackers waren verkleidet, und die Leute warfen ihnen Gurtl zu.

Der Moment, als David zum ersten Mal auf seiner gelben Quetsche rumdrückte, war so etwas wie der Startpunkt für die Musikerkarriere der Familie Hacker. Einmal standen sie gemeinsam auf dem Rosenheimer Platz in München und spielten auf. Es war Fasching, die Hackers waren verkleidet, und die Leute warfen ihnen Gurtl zu.

Und genügend Geldstücke, damit sie am Abend gemeinsam in ein Lokal zum Essen gehen konnten. "Der Kellner hat geschaut, als wir mit Kleingeld bezahlt haben", sagt Vater Uwe Hacker. Seither treten sie bei Geburtstagen, Hochzeiten und Neujahrsempfängen auf.

Manchmal hacken die Hackers gerne aufeinander rum. Allerdings ohne Verletzungsgefahr. Zum Beispiel, wenn der große Bruder sein Instrument auf dem Zimmer liegen hat lassen. "Marie, da ist meine Karte", sagt David, und hält der Schwester den Zimmerschlüssel hin. Und Marie sagt: "Geh selber." Grinsen in der Tischrunde. Alles nicht ernst gemeint. David, Bauingenieurstudent und Lausbub, steht auf und holt seine Quetsche selbst. Nach den Sommerferien kommt Marie in die sechste Klasse. Mit drei älteren Brüdern hat man da längst gelernt, wie man einen Befehl verweigert.

Am Abend treffen die Hackers und all die anderen auf die Studentengruppe vom Johannesburg Youth Orchestra. Im geräumigen Saal der Hotelbar werden sie zum ersten Mal gemeinsam proben und südafrikanische Studenten kennenlernen, die ebenfalls nebenher Musik machen.

Florian Hacker hat drei verschiedene Saxofone mit dabei

Die 60 Mitglieder des Johannesburger Orchesters sind alle an der University of Johannesburg eingeschrieben - und genau wie David Hacker und die anderen Grafinger keine Musik-Studenten, sondern in anderen Fachrichtungen unterwegs. Auch keine Profis also. "Ein bisschen nervös sind wir trotzdem", sagt Marie.

Eigentlich hätte sie Unterstützung von ihrer älteren Schwester bekommen sollen. Für die Familie ist es der gemeinsame Jahresurlaub. Doch Lisa Hacker ist in ihrem Referendariat eingespannt, deswegen fehlt sie. Dass trotzdem zehn Prozent der Grafinger Südafrika-Delegation Hacker mit Nachnamen heißt, ist vor allem der Orchesterleiterin zu verdanken: Hedwig "Hedi" Gruber hatte ursprünglich nur David mit dabei.

Später holte sie die ganze Familie mit ins Orchester. Klavierspieler Paul, 15, der seinen Papa gern damit aufzieht, dass seine Trompete das schlimmste Instrument überhaupt ist. Und Florian, 22, der für den Johannesburg-Trip eine Uni-Prüfung verschoben hat - und drei verschiedene Saxofone dabei hat.

Ein Familienmitglied feht, dafr sind alle Instrumente mit dabei - auch die Hohner Yellow 46. David Hacker hat am Check-In erfolgreich Überzeugungsarbeit geleistet, um sie mit ins Handgepäck nehmen zu dürfen. "Ich hab versprochen, dass ich dafür meinen Rucksack zwischen die Füße nehme", sagt er. Und so kam die gelbe Quetsche mit in den Flieger. Gott sei Dank, denn sie hatte den zentralen Part beim "Alma Medley", das dann hoch droben im Flugzeug erklang. Die kleine Yellow Submachine. Jetzt leuchtet sie unter der südafrikanischen Sonne. Der Hinflug hat ihr neuen Glanz verleiht.

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Quelle:
SZ vom 31.08.2018/clli/koei
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