Mit Pauken und Paketen:Aus der Reihe getanzt

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Nach dem Auftritt des "Grafinger Jugendorchesters" wird der Nelson-Mandela-Square künftig für Bands geöffnet. Zum Dank gibt es ein Abschiedsgeschenk einer südafrikanischen Tanzgruppe.

Von Korbinian Eisenberger, Kwalata/Johannesburg

Nur noch das Lagerfeuer prasselt. Keine Tuba, keine Geige, keine Trommel. Die Instrumente sind verstummt und verpackt, weil es am nächsten Tag über Dubai zurück nach München geht. Ums Feuer sitzen Menschen, die alle etwas erlebt haben, das neu und ungewohnt für sie war. Im Schein der Flammen sprechen sie nun über das, was in den zehn Tagen in Südafrika geschehen ist. Was sie hier erreicht haben. Und was das mit ihnen macht.

Gar nicht so leicht, das alles zu sortieren. Bei all den Aktionen, Konzerten und Impressionen, die das Grafinger Jugendorchester aufgesogen hat. Das irre Konzert im Flugzeug nach Johannesburg zum Beispiel, die emotionalen Begegnung mit den Kindern der Township-Schulen von Soweto. Einlagen mit Straßenmusikern und in Altenheimen. Oder das gemeinsame Konzert mit dem Johannesburg Youth Orchestra: 100 Menschen aus Südafrika und Bayern auf einer Bühne - lange ein Hirngespinst, am Ende Realität.

Genau wie der nicht für möglich gehaltene Auftritt auf dem Nelson-Mandela-Square in Johannesburg. Ein Konzert mit Nachklang, das verkünden die Organisatoren aus Grafing am Abend vor der Heimreise: Demnach soll der Nelson-Mandela-Square künftig auch für andere Musikgruppen geöffnet werden. Die 60 Musiker haben offenbar Pionierarbeit geleistet. Dank sehr guter Kontakte durften sie vor einer Woche auf dem heiligen Platz mit der Mandela-Bronze-Skulptur spielen. 90 Minuten, in Dirndl und Lederhosen, mit Pauken und Trompeten. Nun, so heißt es, wolle das Management des Platzes dort öfter solche Momente ermöglichen.

Donnerstagabend, über der Hüttensiedlung im Busch von Kwalata senkt sich die Sonne, die Vögel verstummen. Durch den dämmernden Abend tönen jetzt Gospelgesänge. Die Kulturtänzer der Gruppe Bokamoso ba Rona aus einem nahe gelegenen Township sind gekommen, sie führen eine traditionelle südafrikanische Show auf - ihre Art, "Goodbye" zu sagen, erklärt Vortänzer Johannes Swema, 39. Im ersten Teil performt die Gruppe alleine, die Grafinger schauen zu. Dann gibt Swema das Signal: "Come dance with us." Und so mischen sich Einheimische und Zugereiste zu einem afrikanisch-bayerischen Tanzreigen.

Das Orchester mit Ranger Samy Musekane und Leiter Charl Pretorius. (Foto: Korbinian Eisenberger/oh)

Was machen diese Erlebnisse mit einem? Erste Antworten am Lagerfeuer

Es sind Szenen, die man öfters gesehen hat, während dieser speziellen Reise. Begegnungen, die es so kaum gegeben hätte, wären nicht Instrumente, Gesang und eine gute Portion Offenheit im Spiel gewesen. Später am Lagerfeuer machen sich das einige bewusst. Sängerin Amelie Jost, 20, sitzt in Jeans und Bluse auf dem Rand der Feuerstelle, die Füße direkt am Feuer. Nähe statt Distanz. So lässt sich das Geheimnis vielleicht grob zusammenfassen. Josts Highlight: "Als ich mit der Straßensängerin in Soweto spontan mitgesungen habe", sagt sie. Als sie und die 18-jährige Hannah Kreck einfach einstimmten. Auf einmal stand die ganze Straße um sie herum, alle schwangen die Hüften.

Ein Highlight: Die Begegnung mit Kgotlhelelo, 10, und ihren Mitschülern. (Foto: Korbinian Eisenberger/oh)

Nähe statt Distanz. Oder: in die Augen schauen statt wegsehen. Das ist für den Ebersberger David Hacker eine der wichtigen Erkenntnisse hier, sagt er. "Wenn man sich nicht ehrlich auf die Leute einlässt, kommt man hier nicht weit", sagt er. Erinnerungen, als wäre es gerade eben erst passiert. Wie er und all die anderen mit zehnjährigen Musikschülern aus Soweto zu einer Einheit verschmolzen. Da halfen natürlich die Instrumente. Aber auch, dass Hacker und Co. sich niederknieten - auf Augenhöhe mit den Buben und Mädchen.

Die Flamme züngelt nur noch vor sich hin, das Feuer ist am Verglühen, wie die Sonne über dem afrikanischen Busch. Viele schöne Momente waren es hier, doch es gab auch traurige. Besuche in den Armenvierteln, wo im Umkreis von Johannesburg Millionen von Menschen so elendig leben, dass es kaum zu ertragen ist. "Da wird vieles unwichtig", sagt Julius Gassert, 17. Abischnitt? Studienbewerbung? Man braucht kein Löwenherz, damit einem das in solchen Momenten egal ist.

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Die Folgen von Kolonialismus und Apartheid sind hier immer noch deutlich zu sehen. Insgesamt ist es besser geworden, das Elend durchzieht das Land aber immer noch wie ein Geschwür. Was kann man dagegen tun? Charl Pretorius geht hier seinen eigenen Weg. Ihm gehört das Camp, wo die Grafinger seit zwei Tagen wohnen. Der 50-Jährige sitzt auch mit dabei an diesem letzten Abend, er legt noch mal Holz nach. Pretorius geht in die umliegenden Townships und rekrutiert dort Menschen, die er dann ausbildet und beschäftigt. Als Ranger, Hotelmanager, Barkeeper oder Schlangenexperte.

Einer seiner Mitarbeiter ist Samuel Musekane, der den Grafingern vom Safari-Truck aus die Wildnis zeigte. "Was wir von ihm alles gelernt haben", sagt Johannes Schackow, für den Dienstag eine neues Schuljahr beginnt, die siebte Klasse. Vorher gab es eine Ferienlektion bei Musekane, dem 35-Jährigen aus Kekana Gardens. Er erzählt, wie er dort im Township aufwuchs. Fast niemand hatte einen Job, sagt er. Über das Camp hat er eine Arbeit bekommen, mit Verantwortung, wenn es dahin geht, wo die Löwen wohnen.

© SZ vom 08.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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