Misserfolg:Heiße Luft

Weil in Geretsried die Geothermie-Bohrung der Firma gescheitert ist, die auch in Vaterstetten, Zorneding und Grasbrunn Wärme aus der Tiefe fördern will, wächst die Skepsis an dem Millionen-Projekt

Über den Geothermie-Bohrstellen im Münchner Umland hängt seit Jahren wie ein Damoklesschwert die Angst vor einer Fehlbohrung. Das ist nun in Geretsried eingetreten, wo aus dem Bohrloch viel heiße Luft, aber nur gerade einmal zehn Liter heißes Tiefenwasser nach oben dringt. Der Misserfolg des Bohrtechnik-Unternehmens Daldrup & Söhne, das ihren Gesellschaftersitz in Grünwald hat, dürfte schnell Thema sein in mindestens drei Kommunen: In Unterföhring, wo Daldrup erst im Juni einen Auftrag für eine Geothermiebohrung in zweistelliger Millionenhöhe erhalten hat, in Taufkirchen, wo das Unternehmen ein geothermisches Kraftwerk hinstellen wird, und in Vaterstetten, Zorneding und Grasbrunn, wo das Fündigkeitsrisiko die Gemeinderäte ohnehin umtreibt.

Die Nachricht vom vorläufigen Scheitern des Geothermie-Vorhabens in Geretsried wird sicher nicht dazu beitragen, dass die Vaterstettener das ursprünglich mit Verve geplante Gemeinschaftsprojekt mit Zorneding und Grasbrunn in absehbarer Zeit in Angriff nehmen. "Die Verunsicherung wächst bei uns von Monat zu Monat", sagt Vaterstettens amtierender Bürgermeister Martin Wagner (CSU). Zumal das Geretsrieder Projekt nicht das einzige sei, das nicht rund laufe. Wobei Wagner betont, dass er die Geothermie durch den aktuellen Rückschlag in Geretsried nicht aufgeben wolle, "ich sehe das aber mit größerer Vorsicht." Deutlich skeptischer ist Hannes Bußjäger, Fraktionsvorsitzender der Grasbrunner Freien Wählergemeinschaft. "Wir stopseln ohnehin schon lange herum, heute heißt es, das Wasser werde 90 Grad heiß sein, morgen ist es dann 100 Grad. Und wir sehen auch, dass in Ismaning und Unterföhring die Ergebnisse schlechter ausgefallen sind, als angenommen wurde", sagte Bußjäger am Dienstag zur SZ.

In Geretsried ist unterdessen die Hoffnung auf Erfolg gen Null gesunken. Das Bohrloch am Breitenbach bei Gelting ist mit 6036 Metern das tiefste in ganz Europa. 35 Millionen Euro hat das Projekt bisher schon verschlungen, das gesamte Geretsrieder Energiekonzept beruht darauf. Und jetzt - nach vier Jahren vorbereitender Arbeiten - die Ernüchterung: Das Bohrloch liefert nahezu kein heißes Wasser. Dies hat Robert Straubinger, der Geschäftsführer der Enex Power Germany GmbH, am Dienstag im Beisein des 3. Bürgermeisters Robert Lug und des Geschäftsführers der Energie Geretsried GmbH, Jan Dühring, bekannt gegeben. Mitte Juli war bei den ersten Pumpversuchen festgestellt worden, dass die Temperatur des Wassers mit 165 Grad exorbitant hoch war. Doch statt der erwarteten 100 bis 120 Liter pro Sekunde, die für eine ökonomisch vertretbare Nutzung nötig gewesen wären, kamen in den ersten Augusttagen weniger als zehn Liter an die Oberfläche. Nach Straubingers Vermutung ist dafür die dichte Gesteinsstruktur in dieser Tiefe verantwortlich - durch den dort herrschenden großen Druck habe sich in das Kalziumgestein vermutlich Magnesium eingelagert, ein in der Geologie als Dolomitisierung bezeichneter Vorgang. Der Grund für die mangelnde Durchlässigkeit des Gesteins werde derzeit untersucht. Vorwürfe oder Kritik von Seiten der Investoren oder der Rückversicherung, die für einen großen Teil des Schadens aufkommen muss, hat es Straubinger zufolge nicht gegeben. Dafür sei er sehr dankbar, alle Beteiligten, von den Investoren über die Spezialisten vor Ort bis hin zu den Fachberatern und den Verantwortlichen der Stadt hätten hervorragend zusammengearbeitet.

An technischen Problemen, an denen es im Verlauf der Bohrarbeiten nicht mangelte, habe es jedenfalls nicht gelegen, teilt Straubinger mit. Die Bohrung sei fachgerecht ausgeführt worden, die Arbeiten werden nun aber erst mal eingestellt. Aufgeben will die Enex trotz der Enttäuschung aber nicht. In den kommenden Wochen und Monaten werden die gewonnenen Erkenntnisse ausgewertet, danach geht es darum, Optionen zu prüfen, wie das Projekt doch noch gerettet werden kann.

Dazu gehört eine Ablenkbohrung in eine andere geologische Formation. Dieses Verfahren könnte vergleichsweise zeitnah, also in einigen Wochen, in Angriff genommen werden, verursacht aber weitere Kosten, über die zunächst mit der Versicherungsgesellschaft geredet werden muss. Weitere Optionen wären aufwendiger und würden Straubinger zufolge "einen anderen Zeithorizont" in Anspruch nehmen. So müsste das Bohrgestänge erst einmal abgebaut werden. Auf jeden Fall wäre es aus Sicht der Enex "ein Unding, die Vorarbeit der letzten vier Jahre nicht zum Erfolg zu führen".

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