Konzert in Glonn:Notfall bei Mozart

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Dirigentin Miriam Haupt erklärt, warum Medizin und Musik so gut zusammenpassen. Die Moosacherin tritt nun mit dem "Münchner Ärzteorchester" wieder auf Gut Sonnenhausen auf.

Interview von Michaela Pelz

Wenn am Sonntag, 10. Oktober, unter der Schirmherrschaft des Rotary-Clubs Ebersberg-Grafing das Münchner Ärzteorchester auf Gut Sonnenhausen zwei Mal zugunsten von "Ärzte ohne Grenzen" spielt, gibt sie den Ton an: Miriam Haupt. Warum ihr Ensemble ein ganz besonderes ist, und was es mit dem Konzert-Picknick auf sich hat, erklärt die Moosacher Dirigentin im Interview.

SZ: Frau Haupt, wen mögen Sie lieber: Zahnärzte oder Chirurgen?

Miriam Haupt: (lacht) Schwierige Frage - aber da mein Konzertmeister, den ich als Mensch, Mediziner und Musiker sehr ehre und schätze, Chirurg ist, entscheide ich mich für die Chirurgen! Zumal wir sogar einen 86-jährigen Geiger dieser Fachrichtung haben...

Täuscht der Eindruck, oder sind tatsächlich viele Ärzte musikalisch?

Doch, das stimmt. Viele Mediziner spielen nicht nur ein Instrument, sondern beherrschen es auch sehr, sehr gut. Meine Flötistin, eine Hausärztin, tut es etwa fast schon auf professionellem Niveau. Manche hätten sogar fast Musik studiert.

Wie erklären Sie sich die Affinität so vieler Ärzte zu dieser Kunstform?

Grundsätzlich schon mal damit, dass sie öfter aus Familien stammen, in denen sie gefördert und ermutigt wurden, überhaupt ein Instrument zu lernen. Nicht jeder hat diese Unterstützung. Außerdem gibt es eine große Gemeinsamkeit: Ein Mediziner schult sehr seine Wahrnehmung, denn es gilt, fein zu erspüren, was der Grund für eine Erkrankung sein könnte, oder eine verborgene Ursache aufzudecken. Aber auch wir Musiker verfügen über Wahrnehmung auf einer sehr feinen Ebene. Man muss sich auf das einstellen, was nicht verbalisiert wird - über Rhythmus, Klangfarbe, Tempo. Und: Medizin ist ein Hochleistungsberuf und solche Menschen müssen besonders darauf achten, sich zu regenerieren. Musik und Gemeinschaft nähren die Seele, deswegen ist das Spielen im Orchester wie geschaffen, um sich aufzuladen und aus der Musik neue Kraft zu schöpfen.

Spüren Sie das auch im Ärzteorchester?

Ja, durchaus. Ich sehe es freitagabends, wenn sie müde kommen. Nach einiger Zeit fällt das ab und die Gesichter leuchten. Am Ende haben wir nicht nur musikalisch gearbeitet, sondern meine Musiker sind sichtlich auch erfrischt.

Sie proben also einmal die Woche?

Schön wär's! Das ist leider nicht möglich, wir sehen uns alle 14 Tage. Ich bin dann immer wieder erstaunt, wie vollzählig wir sind. Aber für die Leitung stellt es schon eine besondere Aufgabe dar, wenn man nicht - wie andere Orchester - jede Woche mit kompletter Besetzung proben kann. Da muss man schon ein bisschen zaubern. Wir haben es aber bisher immer sehr gut hingekriegt.

Für Dirigentin Miriam Haupt und ihre Mediziner hat das gemeinsame Musizieren unschätzbaren Wert. (Foto: Veranstalter)

Eine große Herausforderung also.

Ja, gleichzeitig aber auch etwas, das einen sehr prägt. Ich erinnere mich an ein Schlüsselerlebnis: Bei der Probe eines Mozartstücks klingelten zeitgleich zwei Handys, ein Notfallmediziner und ein Kinderkardiologe sprangen auf. Mir wurde klar: Eigentlich geht es hier nicht um Perfektion, sondern um den Wert des gemeinsamen Musizierens! Danach haben wir alle viel eindringlicher gespielt, weil wir gespürt haben, wie kostbar das ist.

Seit 2015 leiten Sie das Orchester, wie kamen Sie zusammen?

Ich stamme selbst aus einer Musiker- und Medizinerfamilie. Mein Großvater war Gynäkologe und hat wunderbar Geige gespielt, die habe ich noch. Also war eine gewisse Nähe da. Dann gab es einen dieser glücklichen Zufälle: Doktor Dieter Pöller, der Gründer des Orchesters, wurde 90 und dachte langsam doch daran, aufzuhören. Mit ihm habe ich mich gleich sehr gut verstanden - ein Konzert im Herkulessaal machten wir gemeinsam. So kam es, dass er mich zu seiner Nachfolgerin bestimmt hat. Es war sozusagen Liebe auf den ersten Blick. Und mittlerweile besteht eine sehr enge Bindung zwischen Orchester und Dirigentin.

Auch bei Gut Sonnenhausen war es "Liebe auf den ersten Blick", oder?

Ja. Als ich bei einem Spaziergang die dortige Reithalle zum ersten Mal sah, dachte ich angesichts des Holzgewölbes: Die Akustik muss da drin wahnsinnig toll sein! Also rief ich an, erklärte der Dame am Telefon, wer ich bin und dass ich gern mit meinem Orchester auftreten wolle. Und sie sagte nur: "Gern!" Hinterher gefragt, warum sie so spontan zugestimmt habe, meinte sie, sie habe so ein Bauchgefühl gehabt, dass wir zusammenpassen.

Und tatsächlich: Bei dem einen Mal blieb es nicht...

Es war so schön, dass beide Seiten den Wunsch hatten, das fortzuführen. Wohlgemerkt: Gut Sonnenhausen stellt uns für diese Benefizkonzerte für "Ärzte ohne Grenzen" die Reithalle umsonst zur Verfügung. Dafür sind wir unglaublich dankbar. Denn dass wir am Ende eine Spende überweisen können, ist ja Hintergrund und Sinn der Sache. Obwohl wir natürlich auch die Musik, die besondere Atmosphäre und das wunderbare Essen dort genießen.

Apropos Essen: Diesmal wird ein Konzert-Picknick angeboten - was machen Sie, wenn die Leute anfangen, mit den Tellern zu klappern?

Naja, dieses neue Format musste so sein, weil die Corona-Bestimmungen für die Gastronomie im Moment der Planung noch strenger waren. Aber alles ist sehr gut überlegt: Vor Beginn wird serviert, jeder kriegt sein Picknickkästchen. Während des Konzerts gibt es keine Störung. Und, ehrlich gesagt, wenn da mal ein Glas klappert, wird uns Musiker das überhaupt nicht stören. Es ist eben ein kulinarischer Konzertabend, bei dem die Zuschauer die Musik und gleichzeitig die Köstlichkeiten von Sonnenhausen genießen können. Wie übrigens früher bei Königen und Kaisern schon üblich.

Dann passt das Programm ja perfekt...

Als erstes gibt es Mozart, das Flötenkonzert D-Dur mit Tobias Kaiser. Wir kennen uns sehr gut, und es ist mir immer eine große Freude, wenn er mitspielt, denn er ist außergewöhnlich musikalisch. Danach kommt "Pelléas et Mélisande" von Fauré, eine Orchestersuite bestehend aus vier Stücken und dank seiner besonderen Klangfarben und Stimmungen sehr emotional. Wir enden mit Schuberts dritter Sinfonie, geschrieben im Alter von 18 Jahren - ein fröhlich-freudiges Jugendwerk, das man einfach nur genießen kann.

Sie dirigieren nicht nur, sondern erzählen manchmal auch etwas über die Hintergründe der Musik - wie kam es dazu?

Ich teile gerne meine eigene Begeisterung. Ohne daraus einen musikwissenschaftlichen Vortrag zu machen, sage ich, was mir persönlich besonders gut an den Stücken gefällt oder weise auf Details hin, auf die man beim Zuhören achten könnte. Als Tochter eines Dirigenten bin ich von klein auf mit Musik und Konzertatmosphäre aufgewachsen und habe mich schon als Kind oft gefragt: Warum schauen die Leute so ernst? Aufgrund dieser Erfahrungen probiere ich gerne Neues aus, suche Formen, die das Ganze auflockern und bereichern. Gemeinsam mit den Sonnenhausenern haben wir uns für dieses Mal eben das "Konzert-Picknick" ausgedacht und ich bin schon sehr neugierig, wie das ankommt beim Publikum.

"Münchner Ärzteorchester": Benefizkonzert auf Gut Sonnenhausen am Sonntag, 10. Oktober, 17 und 20 Uhr. Vorbestellung des Picknicks unter (08093) 577 70. Tickets und weitere Infos: https://www.sonnenhausen.de/benefizkonzert-10-21/

© SZ vom 02.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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