Berufslehre:"Wer nur wegen des Geldes eine Ausbildung macht, ist sowieso falsch"

Ausbildungsoffensive Mittelschule EBE

Inwiefern der Mindestlohn Einfluss auf den Ausbildungsmarkt nehmen wird, sei noch nicht abzusehen, heißt es von der Agentur für Arbeit.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mindestlohn als Anreiz für eine Lehre? Wirtschaftsvertreter im Landkreis Ebersberg haben ihre Zweifel.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Was seit mehr als vier Jahren für alle Arbeitnehmer in Deutschland gilt, soll nun auch für Auszubildende kommen. Das Bundeskabinett soll an diesem Mittwoch einen gesetzlichen Mindestlohn für Lehrlinge beschließen, der ab 2020 greift. Geplant ist, dass Betriebe ihren Azubis von nächstem Jahr an mindestens 515 Euro pro Monat im ersten Ausbildungsjahr zahlen müssen. Die Vergütung soll bis 2023 gestaffelt auf 620 Euro steigen. Im Landkreis Ebersberg stößt der Vorschlag von Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) aber nicht bei allen Wirtschaftsvertretern auf Zustimmung. Während manche eine solche Lohnuntergrenze als wenig relevant für die Region sehen, würden andere die Vergütung von Azubis weiterhin lieber den einzelnen Innungen überlassen.

Zu Letzteren gehört Johann Schwaiger. "Ich halte nichts davon, alle über einen Kamm zu schweren", sagt der Kreishandwerksmeister. Eine Regelung der Ausbildungsvergütung "pauschal von oben herab" lehnt er deshalb ab. Ohnehin hat Schwaiger Zweifel daran, ob die Entlohnung tatsächlich der einzige Grund für den Azubimangel in manchen Branchen ist. Er verweist dabei auf das Baugewerbe, das schon vor einigen Jahren die Löhne in der Ausbildung massiv angehoben habe, in der Hoffnung wieder mehr Lehrlinge zu bekommen. "Das hat sich damals überhaupt nicht erfüllt. Geld regelt eben nicht immer alles", so Schwaiger.

Bei einer hohen Ausbildungsvergütung sieht der Kreishandwerksmeister zudem Probleme beim Übergang in den Gesellenstatus. Wenn der Gehaltssprung dann entsprechend gering ausfalle, könne das schon zu einer gewissen Enttäuschung führen. Und bei all dem dürfe man auch nicht vergessen, dass Auszubildende in Betrieben eben keine vollwertigen Arbeitskräfte seien.

Den Sonderstatus einer Berufsausbildung hebt auch Martin Freundl vom Bund der Selbständigen hervor. Für den Ebersberger Bäckermeister gehe es dabei um weit mehr, als nur um die Vergütung. "Wer nur um des Geldes Willen eine Ausbildung macht, der ist sowieso falsch." Vielmehr würden auch Kompetenzen vermittelt werden, die später eine bessere berufliche Perspektive ermöglichten.

Dass ein Mindestlohn dazu beitragen kann, neue Azubis anzulocken, glaubt Freundl nicht. "Wenn wir unsere Lehrlinge nicht so zahlen, dass sie sich ausreichend entlohnt fühlen, dann wird es schwierig, überhaupt welche zu bekommen." Gerade, da sich auch die Altersstruktur geändert habe. Während man früher seine Lehre mit 14, 15 Jahren begonnen habe, so Freundl, seien Bewerber heute teilweise älter und hätten eine höhere Schulbildung. An diese Entwicklung müsse sich dann auch die Entlohnung entsprechend anpassen.

Bei der Besetzung von Ausbildungsstellen würde Freundl zufolge ohnehin vieles der Markt regeln. Dort, wo das nicht der Fall sei, könne man dann ja mit Gesetzen wie dem Mindestlohn einwirken. Dass das in der Ebersberger Region nötig sein wird, glaubt Sonja Ziegltrum-Teubner, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses, indes nicht. "Wer hier im Münchener Raum unter dem Mindestlohn zahlt, wird keine Azubis finden." Vor allem deshalb, da laut Ziegltrum-Teubner aktuell "paradiesische Zustände" auf dem Ausbildungsmarkt herrschen würden. Das Angebot sei derzeit viel größer als die Nachfrage.

Diese Einschätzung bestätigt ein Blick in die Zahlen der Agentur für Arbeit Freising, die unter anderem auch für den Landkreis Ebersberg zuständig ist. Demnach meldeten die Arbeitgeber kurz vor Ausbildungsstart im Oktober vergangenen Jahres 628 zu besetzende Lehrstellen. Im April 2019 waren immer noch 357 Ausbildungsplätze offen. Im gleichen Zeitraum sind von den 468 Jugendlichen, die im Vorjahr an einer Ausbildung interessiert waren, 257 in Betrieben untergekommen.

Laut Kathrin Stemberger, Pressesprecherin der Freisinger Agentur für Arbeit, ist nur schwer einzuschätzen, inwieweit sich ein Mindestlohn auf den Ausbildungsmarkt auswirken würde. "Da müssen wir einfach die Entwicklung abwarten." Sie habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass die Entscheidung für einen Ausbildungsplatz nicht unbedingt vom Gehalt abhängig ist. In Ebersberg etwa seien die eher weniger gut bezahlten Berufe Tischler und Friseur unter den Top fünf der beliebtesten Lehrstellen. Natürlich sei mehr Geld immer ein schöner Anreiz, so Stemberger, "aber Betriebe freuen sich wahrscheinlich mehr, wenn sie jemanden haben, der richtig für den Beruf brennt".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: