Minderjährige Flüchtlinge:Der Traum vom besseren Leben

Das Berufsbildungswerk Sankt Zeno in Kirchseeon hat acht Jugendliche aufgenommen, die ohne Eltern oder Verwandte aus den Krisengebieten Ostafrikas fliehen mussten

Von Michael Haas

Das Berufsbildungswerk Sankt Zeno in Kirchseeon hat neue Bewohner: Seit Mitte April werden dort unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betreut und auf ihrem Weg in ein selbstständiges Leben unterstützt. "Unser Ziel ist es, die Jugendlichen je nach Interesse zu einem Abschluss und einer Ausbildung zu führen", sagt Geschäftsführer Bernd Zimmer. Zunächst gelte es nun aber, den 16- bis 18-Jährigen Deutsch beizubringen.

Minderjährige Flüchtlinge: Damit sich die Jugendlichen in Deutschland auch verständigen können, geben ihnen Joachim Erbarth und Kremena Ivanova täglich Deutschunterricht.

Damit sich die Jugendlichen in Deutschland auch verständigen können, geben ihnen Joachim Erbarth und Kremena Ivanova täglich Deutschunterricht.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Acht junge Männer wohnen im Ursprungsgebäude des Berufsbildungswerks, in dem in der Vergangenheit Internatsschüler untergebracht wurden. Ein neunter soll in den kommenden Wochen dazukommen und die Gruppe für junge Flüchtlinge komplettieren. "Es ist so gedacht, dass daraus später eine selbstständigere Gruppe entsteht", erklärt Zimmer. Voraussichtlich Mitte September ziehen die ersten Jugendlichen in Appartements eine Etage höher und übernehmen damit mehr Eigenverantwortung. Entsprechend können dann weitere Jugendliche in die intensiver betreute Gruppe aufgenommen werden und die Wohngemeinschaft im Berufsbildungswerk auf bis zu 24 Jugendliche wachsen.

Der Weg in eine solche Jugendhilfeeinrichtung ist für die minderjährigen Flüchtlinge oft beschwerlich. Nach der Inobhutnahme durch das Jugendamt, in dessen Zuständigkeit der Flüchtling aufgegriffen wurden, wird zunächst in psychologischen Gesprächen darüber entschieden, ob er als minderjährig anerkannt wird, und - und falls nötig - ein gesetzlicher Vormund bestimmt. Erst dann können die Jugendämter bayernweit nach einem Platz in einer Jugendhilfeeinrichtung suchen. "Wir erhalten dann den Clearing-Bericht und schauen, ob der Jugendliche zu unserer Gruppe passen könnte", erklärt Einrichtungsleiter Udo Stock.

In Kirchseeon hat sich so zufällig eine Konzentration auf somalische Jugendliche ergeben. Sechs Jugendliche kamen von dort, zwei weitere aus Eritrea und Äthiopien. Demnächst soll noch ein Afghane dazustoßen. Einige waren jahrelang auf der Flucht, bevor sie nach Deutschland gelangten. Einer wurde auf der Flucht aus Somalia monatelang in Ghana gefangen gehalten, weil er über keinen Pass verfügte. Als er schließlich freigelassen wurde, reiste er nach Libyen und kam über das Mittelmeer doch noch nach Europa. "Die Jugendlichen erleben, wie ihre Fluchtkollegen sterben", sagt Stock. Deshalb habe man eine Psychologin engagiert, die den traumatisierten Jugendlichen als Ansprechpartnerin dient, ergänzt Zimmer.

Im Moment aber dominiert bei den 16- bis 18-Jährigen die Freude darüber, es nach Deutschland und in eine Jugendhilfeeinrichtung geschafft zu haben. "Unser Hauptproblem neben den sprachlichen Barrieren ist zurzeit, dass es mitten im Schuljahr ist und es noch kein richtiges schulisches Angebot für die jungen Flüchtlinge gibt", sagt Zimmer. Deshalb habe man selbst Deutsch-Kurse organisiert und plane, von Herbst an ein Berufsintegrationsjahr für die Jugendlichen einzurichten. Dort erhalten sie dann Einblicke in verschiedene Werkstätten und lernen intensiv Deutsch.

Platz für alle jungen Flüchtlinge wird dieses Angebot wohl nicht bieten, doch einige dürften ein solches Jahr auch gar nicht nötig haben. Schon jetzt spricht einer der jungen Männer so gut Deutsch, dass er während des Schuljahres die Mittelschule in Kirchseeon besuchen kann. Auch bei anderen Jugendlichen stellen die Betreuer Fortschritte fest. "Da gibt es aber auch große Schwankungen zwischen den Herkunftsländern der Jugendlichen", sagt Stock. Zudem gebe es Qualitätsunterschiede zwischen den Angeboten der Betreuungsstellen, in denen die Jugendlichen zunächst untergebracht werden, und beim Engagement der jeweiligen gesetzlichen Betreuer. "Das ist eine totale Glücksgeschichte für die Jugendlichen", sagt Stock.

Die Ziele der Minderjährigen nach der Flucht sind überwiegend gleich und denen deutscher Heranwachsender nicht unähnlich. Nachdem sie im Landkreis Rosenheim aufgegriffen wurden, sollten einige der Flüchtlinge ihre Pläne auf Plakaten festhalten. Die Jugendlichen haben sie nach Kirchseeon mitgebracht, um ihren neuen Betreuern ihre Ziele zeigen zu können: Arzt werden, Geld verdienen, einen Mercedes fahren oder eine schöne Frau heiraten.

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