Metzgermeister:Wenn der Fleischsommelier das Steak empfiehlt

Jüngster Fleischsommelier Deutschlands Peter Heimann jun.

Schon als Dreijähriger war Peter Heimann im Münchner Schlachthof mit dabei, er liebt seinen Job: "Landwirte und Metzger sind doch unentbehrlich".

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)
  • Das Bildungszentrum des Fleischerhandwerks in Augsburg bietet für Metzgermeister neuerdings eine Fortbildung zum Fleischsommelier an.
  • In Deutschland gibt es derzeit etwa 40 Fleischsommeliers, die oft in Metzgereien beschäftigt sind.

Von Anja Blum, Grafing

"Unser Fleischsommelier empfiehlt" prangt in großen weißen Lettern auf einer schwarz glänzenden Tafel in der frisch renovierten Filiale der Metzgerei Heimann in Grafing. Darunter hat jemand eine durchaus üppige Auswahl aus dem Sortiment geschrieben - von der hauseigenen Salami über Krustenbraten bis hin zu diversen Steakvarianten.

Diesen nämlich gilt die Leidenschaft von Peter Heimann junior, der mit gerade einmal 21 Jahren einer von bislang etwa 40 in Deutschland ausgebildeten Fleischsommeliers ist. Das Bildungszentrum des Fleischerhandwerks in Augsburg bietet für Metzgermeister neuerdings eine solche Fortbildung an, Heimann hat gleich den allerersten Kurs besucht, der zweite läuft derzeit.

Im Gegensatz zu seinen Kollegen aus der Weinbranche arbeitet Fleischsommelier Heimann jedoch nicht in der Gastronomie, sondern in der Metzgerei seiner Familie, die aus Bruck stammt. In deren Betrieb nämlich kann er das neu erworbene Wissen wunderbar einsetzen. Gerade hat der Junior eine Broschüre erarbeitet, die die Kunden in die Welt der Steaks - "ein Traum für Pfanne und Grill" - einführt. Darin räumt Heimann auch gleich mit einem weit verbreiteten Irrtum auf: "Fleisch ist nicht besser, je frischer es ist", sagt er, denn direkt nach der Schlachtung sei es tatsächlich zäh und ungenießbar.

Erst mit der Zeit "brechen fleischeigene Enzyme die harten Muskelfasern auf und machen das Fleisch mürbe", heißt es in der Broschüre. Die Reifung geschehe bei der Metzgerei Heimann in zwei Verfahren: "Wet Age" und "Dry Age", also entweder wie üblich vakuumverpackt oder unter kontrollierten Bedingungen an der Luft. Danach müsse zwar leider die äußerste, vertrocknete Schicht entfernt werden, sagt der Junior, was sich auch beim Preis bemerkbar mache, doch "das Ergebnis ist fantastisch".

Neu dürften für den ein oder anderen Kunden auch die Spezialitäten sein, die der Fleischsommelier in dem Heft präsentiert: Vom Schwein empfiehlt er zum Beispiel das Kachelfleisch, das oberhalb des Schlossknochens im Hinterschinken sitzt. In Deutschland werde dieses Stück traditionell für die Wurstherstellung verwendet - doch zu Unrecht, schreibt Heimann, da das auch Deckelchen oder Fledermaus genannte Stück ähnlich zart sei wie Filet. "Entfernt man vor der Zubereitung die Fettschicht, ist es ideal zum Kurzbraten."

Ebenfalls kaum bekannt sei hierzulande das Hanging Tender vom Rind, auch Nierenzapfen genannt, ein Stück, das in Frankreich unter dem Namen Onglet weit verbreitet sei. Kein Wunder, "ist es doch an Geschmack und Zartheit kaum zu übertreffen". Es gehört zu den wenigen Teilen, die es pro Tier nur einmal gibt: Es wird aus dem Zwerchfell geschnitten.

Menschen beim Thema Fleisch für Unbekanntes zu begeistern, das ist Heimanns Antrieb. "Wenn jeder immer nur auf den Grill legt, was er eh schon kennt - das ist doch langweilig", sagt der Sommelier. Seinem Ideal hingegen entspräche eher ein "Herrenabend" mit vier Gängen, bestehend aus unterschiedlichen Steakspezialitäten, sagt er und lacht.

Schließlich gehören für Heimann die Zubereitung und das Essen zu seinem Handwerk unbedingt dazu. "Eigentlich wollte ich Koch werden", erzählt er, doch ein Praktikum habe ihn eines Besseren belehrt und schnell die Entscheidung für den Familienbetrieb herbeigeführt. "Als Koch arbeitet man vormittags und dann später noch mal bis in den Abend hinein, das wollte ich nicht", erzählt Heimann junior.

Da habe er es nun als Metzger schon besser: Zwar fange sein Tag um drei Uhr morgens an, ende dafür aber auch schon mittags. "Da bleibt also viel Zeit für andere Dinge." Seine Arbeit in der Produktionsstätte im Grafinger Gewerbegebiet Haidling, laut Heimann einer der modernsten Betriebe Südbayerns, folgt festen Abläufen: Montag zum Beispiel ist Schweinetag, der Donnerstag ist dem Rohschinken gewidmet. Sieben Metzger und drei Lehrlinge arbeiten hier zusammen.

"Man braucht kein Steak aus den USA"

Die Ausbildung zum Fleischsommelier war für Heimann nun "das Tüpfelchen auf dem i": Die Inhalte reichten von der Kulturgeschichte des Fleisches über Tierhaltung und Schlachtkunde bin hin zu Mikrobiologie, Ernährungskunde und Zubereitung. "Es geht um eine nachhaltige Produktion von A bis Z", sagt der 21-Jährige, "um die Veredelung von Fleisch".

Was das genau für ihn bedeutet? "Das Beste aus dem kompletten Körper rauszuholen und nichts wegzuschmeißen." Das nämlich sei nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch eine Frage des Respekts - dem Tier gegenüber. Zur Nachhaltigkeit gehöre aber auch, den Bedarf an Fleisch mit den Bauern sorgfältig zu planen. "Es muss ja wieder immer wieder was nachwachsen", sagt der Metzger und lacht.

Die Qualität fängt laut Heimann freilich schon bei der Auswahl der Zulieferer an: Der Grafinger Familienbetrieb bezieht sein Fleisch - Färsen, Ochsen, Schweine und Schafe - von lokalen Bauern in bis zu 20 Kilometern Entfernung, die ihren Tieren nur bestes Futter, genügend Auslauf und im Stall einen strohbedeckten Boden bieten. "Man braucht kein Steak aus den USA, wir haben hier vor Ort beste Qualität", sagt der 21-Jährige, der Fleisch nicht erst probieren muss, um es zu beurteilen. Allein Marmorierung, Geruch und Farbe verraten dem Sommelier, ob er da ein gutes Stück vor sich hat oder nicht.

Stolz ist der Juniorchef auch darauf, dass die Produktion bei Heimann ein "geschlossener Kreislauf" ist: "Wir holen die Tiere selber ab, schlachten sie, dann lagern, zerlegen, verarbeiten und verkaufen wir das Fleisch." 98 Prozent der Ware in den Theken der drei Filialen stamme demzufolge aus eigener Herstellung. Und die Verkäuferinnen seien auch in der Fleischzubereitung bestens unterrichtet, dank Grillseminar vom Sommelier.

Doch Heimann kann sich auch ärgern, zum Beispiel über die vielen Vorurteile, die seiner Zunft entgegengebracht werden. "Früher war das ein sehr angesehener Beruf, da ist der Metzger ganz selbstverständlich in seinem blutigen Gwand ins Wirtshaus gegangen - machen Sie das heute mal!" Dabei bestehe sein Beruf doch aus viel, viel mehr als dem Schlachten. Das stehe nur dienstags auf dem Programm, sagt Heimann. "Und natürlich ist das nicht schön, aber notwendig, und da mache ich es lieber selber, mit möglichst wenig Stress für die Tiere."

Die Nacht zuvor verbrächten sie in einem Wartestall mit allen Raffinessen wie einer Berieselungsanlage, die bei Bedarf für Abkühlung sorge, noch im Halbschlaf setze man dann Bolzenschuss oder Elektrobetäubung an. "Ich war schon mit drei Jahren auf dem Schlachthof in München", sagt Heimann, er sei den Umgang mit Fleisch gewohnt und kenne daher keinen Ekel. "Aber das Wichtigste ist wohl, dass man das Thema nicht zu emotional sieht, sondern als den Kreislauf der Natur."

Das aber gelingt wohl den wenigsten Menschen - ein Grund, warum es auch den Metzgern an Nachwuchs fehlt. "Ich finde, die Lebensmittelproduktion sollte in der Schule viel mehr Thema sein", sagt Heimann, "schon in der Grundschule sollte man Bauern und Handwerker besuchen." Denn nur dann bekämen die Menschen ein realistisches Bild. Selbst die eigene Schwester, die lange nichts vom elterlichen Betrieb habe wissen wollen, arbeite mittlerweile voller Begeisterung mit. "Sie hat irgendwann ein Praktikum gemacht und dabei gesehen, dass alles ganz anders ist, als sie es sich vorgestellt hatte."

Aber auch der Trend zu vegetarischer Ernährung macht den Metzgern freilich zu schaffen. "Heute wollen sich viele Menschen ganz besonders gesund ernähren, aber für mich gehört da auf jeden Fall auch ein bisschen Fleisch dazu", sagt Heimann, nur auf Qualität solle man dabei eben achten. Trotz alledem ist der 21-Jährige, der plant, den Betrieb der Eltern irgendwann zu übernehmen, zuversichtlich. Zuversichtlich, dass sein Handwerk nicht ausstirbt und sich das Bewusstsein für eine regionale, nachhaltige Erzeugung durchsetzt. Erst kürzlich konnte der Junior bei einer Berufsmesse in Kirchseeon mehrere Praktikanten gewinnen - worüber er sich sehr freut. "Landwirte und Metzger sind doch unentbehrlich, wir sind die Rockstars von morgen", sagt er und lacht.

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