Meta-Theater:Solo für Nasenflöte und Dudelhandschuh

Meta-Theater: Ardhi Engls großartige musikalische Wunderkammer ist eine Mischung aus Kuriositätenschau und Panoptikum.

Ardhi Engls großartige musikalische Wunderkammer ist eine Mischung aus Kuriositätenschau und Panoptikum.

(Foto: Christian Endt)

Ardhi Engls Musik und Instrumentenkunst erschließen die ungeahnten Welten der Hörgang-Gänsehaut

Von Ulrich Pfaffenberger, Moosach

Kann man damit Musik machen? Ja. Ein "Nein" gibt es nicht. Das wissen wir, seit uns Samstagabend im Meta-Theater zu Moosach Ardhi Engl in seine "musikalische Wunderkammer" gebeten hat. Der Begriff klingt ein bisschen nach Kuriositätenschau und Panoptikum; er vermag nicht im Ansatz auszudrücken, welche zauberhafte, heitere, ergreifende und saukomische 90 Minuten das Publikum dort verbracht hat. Weil man sich das so schwer vorstellen kann, gibt es jetzt auch nur ein Dutzend Eingeweihte im Landkreis. Das ist schade, nicht zu ändern, aber verschmerzbar: Ihr Applaus am Ende des Konzerts hat sich wie der von 60 angehört, ihre Begeisterung hat für 120 gereicht und die Lust an der musikalischen Freud' war sowieso unbezahlbar...

Was also haben Sie genau versäumt? Wer jemals die Tauglichkeit eines x-beliebigen Gegenstands zum Klangkörper in Frage stellen sollte, findet bei Ardhi Engl den Beweis für die These, dass in jedem Menschen und in jedem Gegenstand genügend Klang und Melodie stecken, um die Welt zu bewegen. Wobei gleich jenen Komikern das Instrument aus der Hand gerissen sei, die es witzig finden, irgendwie irgendeine Melodie zu erzeugen und dafür Lacher als Honorar einzusammeln. Denn die machen Gags, aber keine Musik. Dazu braucht es schon einen wie Engl, der eigene Klangbilder und Melodien zu schaffen versteht - und diese dann auf einem "Stangerlbass" konzertiert, den er aus Teilen vom Bau- und Elektronikmarkt hergestellt hat. Der aus einem alten Skistock eine Trompete bauen und dieser beim Eintauchen in eine mit Seifenwasser gefüllte Rührschüssel nicht nur prächtige Töne, sondern auch prächtige Seifenblasen entlockt. Der für das spanische Nationalinstrument Nasenflöte eine eigene Halterung ersinnt, um sich damit selbst zur Gitarre zu begleiten. Der aus der Hosentasche einen Handventilator zieht, um auf den Saiten seines Zupfinstruments für "O sole mio" das obligatorische Mandolinen-Orchester zu aktivieren. Der, unter der Parole "Tretroller zu Harley-Davidsons", einen Einmalhandschuh an die Blockflöte andockt, um auf diesem Eigenbau eine hochklassige Dudelsack-Nummer abzuliefern. Wenn McGyver ein Musiker wäre, hieße er Ardhi Engl. Wobei jener nur ein Taschenmesser hat, dieser aber eine Zauberkammer mit den vielleicht kuriosesten Instrumenten, die auf diesem Globus erklingen. Sowie ein untrügliches Gespür für das klangliche Potential, das dem Alltag innewohnt, selbst einem sich spontan und knarzend zu Ohr meldenden Klavierhocker.

Engl auf das Handwerkliche zu reduzieren, wird ihm indes nicht gerecht. Er spielt seine Instrumente auf so hohem Niveau, dass er jedem Konzert auf einer klassischen Bühne zur Ehre gereichte. Die Art und Weise, wie er, "in Gedenken an eine der vielen ausgedehnten Hawaii-Reisen Johann Sebastian Bachs", dessen c-Moll-Präludium auf die Ukulele (und auf g) transformiert, hätte dem Meister aus Leipzig Respekt abgenötigt und das mühselig beladene Kantorendasein um die Freude am ironischen Kontrapunkt bereichert. Die mit Hingabe und enormem Fingerspitzengefühl zelebrierten "Melancholischen Betrachtungen eines Plexiglasrohrs über das alte Andalusien" sind Zupfinstrumentenkunst in Vollendung. Wenn Engl schließlich urbairische Vokalbergketten einer zweiten alpidischen Faltung unterzieht und in den Orient verschiebt - dann versteht man, warum sich einer wie Gerhard Polt diesen Querdenkmusikspieler auf die Bühne geholt hat: So einer begleitet nicht, so einer adelt.

Dass sich in Ardhi Engl Komponist, Instrumentenbauer und Solist in einer Person vereinen, macht das Zuhören zum reinen Vergnügen, das Dabeisein zum Weckruf an alle musikalisch und musisch ausgerichteten Sinneskanäle. Sein Umgang mit digitaler Hilfstechnik wie dem Loop-Generator ist entwaffnend ehrlich, zumal er inhaltlich dagegenhält und das Innenleben eines Smartphones analog auf der Gitarre seziert. Echter ist die Sprache der Musik nicht erlebbar, mehr Gänsehaut im Gehörgang geht nicht, mehr Ehrfurcht vor dem Können eines Künstlers auch nicht. Genau das haben Sie, bis auf 13 Glückliche, versäumt.

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