Messmast:Über den Wipfeln

Ein 140 Meter hoher Messmast wird in diesen Tagen im Ebersberger Forst bei Purfing errichtet. Die gesammelten Daten sollen zeigen, ob ein Windpark an dieser Stelle rentabel sein könnte

Barbara Mooser

Unscheinbar sieht sie aus, winzig eigentlich. Kaum vorstellbar, dass die quadratische Betonplattform, die über der Erde gerade einmal so groß ist wie ein Balkontischchen, einmal einen 140 Meter hohen Stahlmast auf sich tragen wird, 5,6 Tonnen schwer. Doch mit dem Fundament für den Windmast im Ebersberger Forst verhält es sich in etwa so wie mit einem Eisberg: nur ein winziger Teil ist sichtbar. Mehrere Meter tief ist die Plattform in der Erde versenkt, ebenso wie die Fundamente für die Verankerung. Schließlich soll der Mast ein Jahr lang stehen und verlässliche Daten liefern - da muss man schon auf Nummer sicher gehen. Stellen die Sensoren fest, dass der Wind kräftig genug weht, könnte hier der erste Windpark im Landkreis und einer der größten in Oberbayern entstehen: fünf Windräder mit je 140 Metern Nabenhöhe plant das Unternehmen "Green City Energy" hier.

An diesem Donnerstag braucht man allerdings noch viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie der Mast bald weit über die Wipfel des Forsts hinausragen wird. Die weiß, silber und rot lackierten Teile liegen noch verteilt am Rand der Lichtung im Forst bei Purfing; Projektleiter Alexander Batsch von der Firma Roofhook und seine freiberuflichen Industriekletterer sind gerade dabei, die Baustelle einzurichten. Unwirtlich ist es an ihrem Arbeitsplatz, zu dem eine Schneise aus knöcheltiefem Matsch durch den winterlichen Wald führt. Von acht Uhr morgens bis zum Einbruch der Dunkelheit ist die kleine Truppe hier draußen, doch die klamme Februarkälte macht den jungen Männern nach eigenen Angaben nicht besonders zu schaffen. "Arbeit ist die beste Jacke", sagt Alexander Batsch, lacht, und greift sich ein aufgerolltes Stahlseil, um es zum Transport an die Baggerschaufel zu hängen. Nur die ersten 15 Meter des Masts werden am Boden montiert und dann mit dem Bagger in die Höhe gehievt. Danach ist die Maschine nicht mehr zu gebrauchen, dann müssen die Kletterer die genau 2,98 Meter langen und 120 Kilo schweren Einzelteile mit einer Winde nach oben ziehen und mit Hilfe eines Galgens an die richtige Stelle dirigieren und montieren.

Für Jens Bednarek und Andre Heubaum, die als Kletterer auf der ganzen Welt im Einsatz sind und ihre Kollegen mittlerweile wie eine "große Familie" empfinden, ist dies der interessanteste Teil ihres Jobs. Nicht nur der Nervenkitzel sei es, versichern sie, auch die Arbeit im Freien - und natürlich die Höhe. Wer sonst kann schon aus 140 Metern auf die Welt schauen? "Aber man muss es lieben", sagt Jens Bednarek. "Und wenn einem das Wasser in den Kragen und über den Rücken bis zum Hintern läuft - dann muss man es immer noch lieben." 15 Tage werden sie im Forst an dem Mast bauen, wenn alles glatt geht. Komplikationen kann vor allem das Wetter verursachen, wie Alexander Batsch erklärt. Eis und Schnee können den Einsatz in schwindelnder Höhe unmöglich machen, aber auch der Wind. Einmal, erzählt der Projektleiter, hätten er und sein Team bei einer Windgeschwindkeit von 64 Stundenkilometern ihre Arbeit abgebrochen: "Das ist nicht mehr kletterbar." Im Forst sei die Situation freilich bis jetzt "wunderbar", sagt der Fachmann. Dass der Mast jetzt, bei Eis und Schnee, errichtet wird, hat freilich auch einen ganz praktischen Grund. Vom 1. März an dürfen aus Gründen des Vogelschutzes keine Bäume mehr gefällt werden, daher mussten die notwendigen Rodungen für den Mast und die nötige Zufahrt bereits vorher vorgenommen werden.

Auch sonst muss sich das Team an etliche Auflagen halten, schließlich handelt es sich um ein sensibles Areal und noch dazu um ein Trinkwasserschutzgebiet. Der Bagger durfte zum Beispiel nicht über Nacht im Forst bleiben, bei allen Maschinen dürfen nur ökologisch abbaubare Öle verwendet werden. Die Messgeräte des Masts selbst werden mit einer kleinen Solaranlage betrieben. Nachts bei Beleuchtung zu arbeiten, ist ebenfalls verboten - zum Schutz der Tierwelt.

Ein Jahr lang werden in verschiedenen Höhen Daten gesammelt, doch die Kletterer werden auch zwischendurch immer wieder in den Forst kommen, um die notwendigen Wartungsarbeiten vorzunehmen. Nach sechs Wochen fällt die erste Wartung an, weitere folgen im Schnitt alle zwei bis drei Monate. Maximal 20 Monate darf der Mast laut der Genehmigung des Landratsamts stehen, derzeit sind aber nur einjährige Messungen geplant. Schon nach sechs Monaten erhofft sich "Green City Energy" erste aussagekräftige Ergebnisse. Hat der Mast seinen Dienst getan, muss er komplett wieder abgebaut werden - inklusive seiner Fundamente. Auch das steht im Genehmigungsbescheid des Landratsamts. Sechs Monate hat das Unternehmen nach Ende der Messungen dafür Zeit - dann kann wieder Wald über die Lichtung wachsen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: