Mein Lied:"Weihnachten" auf syrisch

Unserem Kolumnisten Mohamad Alkhalaf fällt es schwer, in diesen Tagen zu feiern.

Von Mohamad Alkhalaf

Bis zur Heiligabendausgabe haben wir jeden Tag eine Seite in den Gesangsbüchern von Landkreisbürgern aufgeschlagen, die uns ihr Lieblings-Weihnachtslied verraten haben. Zu guter Letzt erzählt unser syrischer Autor Mohamad Alkhalaf.

Und wieder feiert die Welt Weihnachten. Mir fällt das schwer, weil das Echo des Kampflieds auch zwei Jahre nach meiner Flucht nach Oberbayern tief im Herzen sitzt. Schöne Erinnerungen an die syrische Weihnachtszeit sind da verblasst. Geblieben ist nur die Stimme der libanesischen Sängerin Fairuz und eines ihrer Lieder: "Weihnachten", gedichtet zur weltbekannten Melodie des amerikanischen "Jingle Bells". Es ist eines der beliebtesten Weihnachtslieder in Syrien und vielen anderen arabischen Ländern.

Als Kind stand ich gerne vor dem Fernseher und sah mir Videoclips an, wie Fairuz vom Weihnachtsabend singt, von Kerzen und Glocken, von strahlenden Lichtern und leuchtendem Schnee und fernen Sternen. Beim Anblick dieser Szenerie dachte ich, das sei das Paradies. Im Zimmer steht ein geschmückter Baum, um den die Kinder hüpfen. Auch ich hüpfte vor dem Fernseher, wäre gern bei den anderen Kindern gewesen. Als ich älter war und in Baptuma, einem Ortsteil von Damaskus, wohnte, lebten viele Christen in der Umgebung. Ich ging dort mit Freunden einkaufen und hatte stets das Lied im Ohr. "Viele Freunde trafen sich und die Geschenke liegen hinter dem Tor", lautet eine Zeile, wenn man sie ins Deutsche übersetzt. "Ich sitze mit meinem Liebsten zusammen", eine andere.

In der Realität sieht es anders aus. Meine Partnerin musste ich in Damaskus zurück lassen, sie schickt mir in diesen Tagen Fotos mit syrischen Weihnachtsmotiven. Ich bin hier in Deutschland, habe mit einer befreundeten Familie einen Christbaum gekauft und ihn zusammen mit Kindern aus der Nachbarschaft geschmückt. "Die Menschen hängen ihre Träume und Hoffnungen an den Baum", heißt es. Diesen Liedtext verstehe ich jetzt voll und ganz.

Die schönen Bilder in meinem Kopf stammen aus Deutschland: glänzende Advents- und Weihnachtsdekoration. "Er kommt aus der Ferne und klopft an die Tür. Er bringt uns den Segen", heißt es. Ich hielt das für einen Mythos. Aber hier in Deutschland lernte ich, dass es den Nikolaus wahrhaftig gibt, wenn man nur an ihn glaubt. Die meisten Kinder in Syrien kennen keine Geschenke und keine Männer im roten Gewand, Weihnachten ist für sie gerade in diesen Tagen weit weg. Ich wünschte, der Geist dieses Liedes könnte zumindest für die Feiertage Frieden nach Syrien bringen.

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