Mehr Leben in die Ortsmitte:Budenzauber sticht Parkplätze

Grafing Bürgerentscheid Weihnachtsmarkt

Knapp 11 000 Grafinger konnten am Sonntag einen zusätzlichen Stimmzettel ausfüllen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Grafing weist seinen Stadtrat in die Schranken: Gut 83 Prozent votieren beim Bürgerentscheid am Sonntag für den langen Weihnachtsmarkt - den die Volksvertreter auf Druck der Unternehmerschaft verkürzt hatten

Von Thorsten Rienth

Je nach Rechnung sind es nur vier oder fünf Tage, um die eine Stadtratsmehrheit den Weihnachtsmarkt verkürzt hatte. Doch der umstrittene Beschluss mündete in eine erfolgreiche Mobilisierungskampagne der Kritiker: Mit einer deutlichen Mehrheit von mehr als 83 Prozent haben die Grafinger den Beschluss nun per Bürgerentscheid rückgängig gemacht. Der Veranstalter Werbering möchte versuchen, die Rückkehr zur ursprünglichen Dauer schon beim diesjährigen Weihnachtsmarkt hinzubekommen.

"Durch diese basisdemokratische Entscheidung haben sich die Bürger den Marktplatz teilweise und zeitweise von den Autofahrern zurückerobert", jubelten die Initiatoren des Bürgerentscheids noch in der Nacht per Pressemitteilung. Wie das Rathaus mitteilte, erreichte der Entscheid "Für einen ganzen Weihnachtsmarkt am Marktplatz" eine Zustimmung von 5 140 Stimmen (83,35 Prozent). 1 027 Grafinger lehnten das Ansinnen ab (16,65 Prozent). Die Wahlbeteiligung lag bei 58,28 Prozent. Das bei Bürgerentscheiden oft kritische Abstimmungsquorum überschritt der Entscheid mit 47 Prozent problemlos. Diese Hürde liegt in Grafing bei knapp 2200 Ja-Stimmen, respektive 20 Prozent der Wahlberechtigten.

Die knapp 11 000 Wahlberechtigten stimmten über diese Frage ab: "Sind Sie dafür, dass dem Werbering Grafing e.V. die Sondernutzungserlaubnis zur Abhaltung von Weihnachtsmärkten am Marktplatz in den folgenden Zeiträumen erteilt wird: 6.12. bis 23.12.2018, 5.12. bis 22.12.2019 und 3.12. bis 22.12.2020?" Weil sich der ursprüngliche Antrag vom Marktveranstalter Werbering auf die Jahre 2018 bis 2020 bezog, lag dieser Zeitraum nun auch dem Entscheid zugrunde.

Vorangegangen war der Abstimmung ein monatelanger Richtungsstreit im Grafinger Stadtrat und der örtlichen Unternehmerschaft. Letztere forderte mit Unterstützung großer Teile der CSU-Fraktion eine Verkürzung des Markttreibens auf maximal 14 Tage. Die neun von 24 durch den Markt belegten Parkplätzen bedeuteten ein nicht zu unterschätzendes Risiko fürs Geschäft.

"Ohne Parkplätze wird ein Einzelhändler nach dem anderen zusperren", argumentierte etwa CSU-Stadtrat Franz Saißreiner. Die Umsatzausfälle an den betroffenen Tagen bezifferte er auf etwa 30 Prozent. Vorlegen wollte er die Berechnung allerdings nicht.

Die Initiatoren des Bürgerbegehrens bezweifeln diese direkte Kausalität von Parkplätzen und Geschäft. Vielmehr würden die Umsätze der Händler mit einem etwa durch einen attraktiven Weihnachtsmarkt belebten Marktplatz steigen.

Sie verwiesen unter anderem auf die Kaufinger Straße in München. Als die in den 1970er-Jahren zur Fußgängerzone wurde, hätten die Geschäftsleute auch den Untergang prophezeit. Heute gehörten die Geschäftsflächen zu den wertvollsten der Stadt.

In Grafing komme außerdem hinzu: Wer mit dem Auto zum Marktplatz möchte, der könne ja in der Rotter Straße 8, unterm alten Brauereigelände an der Kellerstraße oder in der Lagerhausstraße parken. Von dort seien es noch zwei oder drei Minuten zu Fuß.

Beim Grafinger Werbering herrscht über die verlängerte Nutzungserlaubnis freilich Freude. "83 Prozent sind eine klare und starke Meinung", sagte der stellvertretende Werbering-Chef Wolfgang Schaar. "Das zeigt, dass wir in den vergangenen Jahren mit dem Konzept richtig lagen." Jetzt versuche man natürlich, die laufenden Planungen auf die nun erlaubten knapp drei Wochen zu erweitern. "Ob das möglich ist, klären wir gerade mit den Fieranten."

Derweil fordern die Initiatoren des Entscheids nun eine Debatte, welche Lehren man daraus ziehen kann. "Das erfreuliche Ergebnis zeigt, wie entschieden sich die Grafinger dafür aussprechen, dass der Marktplatz ein Ort zum Aufhalten und Begegnen für uns Bürger werden soll, anstatt hauptsächlich ein großer Parkplatz zu sein", schreiben sie in ihrer Erklärung. Der Entscheid könne jedoch nur der erste von vielen Schritten sein, Grafings Mitte attraktiver zu gestalten. "Wir sehen das Ergebnis auch als einen Beleg dafür, dass die Bürger durchaus bereit sind, ihr Verhalten zu ändern und dem Auto dort zukünftig weniger Gewicht einzuräumen."

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