Marktgemeinderat segnet Haushalt ab:Arm, aber glücklich

Die Verschuldung von Kirchseeon wird deutlich steigen. Dennoch sehen die Gemeinderäte ihre Kommune gut aufgestellt - dank eines klaren Finanzplans

Von Andreas Junkmann, Kirchseeon

Ziemlich genau ein Jahr bevor Udo Ockel (CSU) sein Amt als Bürgermeister in neue Hände übergibt, kursiert unter den Kirchseeoner Bürgern ein Scherz über dessen Nachfolge. Der geht in etwa so: Wer auch immer den Chefsessel im Rathaus übernimmt, sollte besser eine Lehre als Schuldnerberater absolviert haben, als Politiker zu sein. Blickt man auf den Haushaltsplan, den der Marktgemeinderat in seiner jüngsten Sitzung verabschiedet hat, dann kommt dieser kleine Scherz nicht von ungefähr. Demzufolge sollen die Schulden bis zum Jahresende auf stattliche knapp 17,5 Millionen Euro anwachsen. Im Gremium ist man sich dennoch sicher, dass die Gemeinde für die nächsten Jahre auf soliden Beinen steht.

Die beiden möglichen neuen "Schuldnerberater" waren auch höchstpersönlich anwesend, als Kämmerin Christiane Prosser das Zahlenwerk der Gemeinde vorstellte: Klaus Seidinger, Gemeinderat für die Unabhängige Wählergemeinschaft (UWG), und Jan Paeplow (CSU), nicht im Gemeinderat, sondern auf den Zuschauerplätzen. Beide kandidieren 2020 für das Bürgermeisteramt in Kirchseeon - der Sieger wird angesichts der Finanzlage aber zunächst über wenig Spielraum für größere Bauvorhaben verfügen. Genau diese sind nämlich der Grund, warum die roten Zahlen innerhalb eines Jahres um knapp sechs Millionen Euro steigen werden. Zum einen wäre da die Erweiterung der Grund- und Mittelschule, zum anderen der Neubau des Kinderhauses - beides Projekte, die mit Darlehen finanziert worden sind.

Marktgemeinderat segnet Haushalt ab: Die Erweiterung der Grund- und Mittelschule war eines der Großprojekte, das der Markt Kirchseeon in jüngster Zeit zu stemmen hatte.

Die Erweiterung der Grund- und Mittelschule war eines der Großprojekte, das der Markt Kirchseeon in jüngster Zeit zu stemmen hatte.

(Foto: christian endt)

Damit soll in diesem Jahr aber Schluss sein. "Für die in 2019 anstehenden Investitionen ist keine neue Aufnahme von Krediten eingeplant", so Christiane Prosser. Im Gegenteil: Die aufgenommen Darlehen sollen sukzessive abgebaut werden. Schon 2020 sollen laut Prosser die acht Millionen Euro, die zur Zwischenfinanzierung für Schule und Kinderhaus nötig waren, zurückbezahlt sein. Möglich wird das unter anderem durch Grundstücksverkäufe, wie dem ehemaligen Bundeswehrgelände, die wieder ordentlich Geld in die Gemeindekasse spülen sollen. Nach jetziger Prognose sollen sich die Kirchseeoner Schulden bis 2022 auf 7,6 Millionen Euro verringern.

Im vergangenen Haushaltsjahr seien Prosser zufolge auch die gestiegen Personalkosten zu spüren gewesen. Mit 350 Euro pro Einwohner liege Kirchseeon aber dennoch unter dem Durchschnitt für vergleichbar große Kommunen. Zumindest im Landkreis-Ranking auf den hinteren Plätzen steht die Marktgemeinde dagegen was die Steuerkraft angeht. Diese liegt laut Bürgermeister Ockel bei 888 Euro pro Einwohner. Das bedeutet Platz 17 von 21 Kommunen - nur die Kleingemeinden Emmering, Bruck, Frauenneuharting und Baiern stehen noch schlechter da. "Wir müssen aber das gleiche leisten, wie alle anderen Gemeinden. Deshalb drehen wir jeden Euro dreimal um", so der Rathauschef.

Die Zahlen

Gesamtvolumen: 23,9 Mio. Euro

Verwaltungshaushalt: 20,0 Mio. Euro

Vermögenshaushalt: 3,9 Mio. Euro

Größte Einnahmen

Einkommenssteuer: 7,8 Mio. Euro

Schlüsselzuweisung: 2,3 Mio. Euro

Gewerbesteuer: 2,0 Mio. Euro

Größte Ausgaben

Kreisumlage: 5,2 Mio. Euro

Schulden

Anfang 2019: 12,1 Mio. Euro

Ende 2019 (Plan): 17,5 Mio. Euro

Rücklagen

Anfang 2019: 3,3 Mio. Euro

Ende 2019 (Plan): 2,2 Mio. Euro

Das wird sich auch in den nächsten Jahren nicht ändern. Für den Zeitraum von 2020 bis 2022 sind Investitionen in Höhe von 2,3 Millionen Euro vorgesehen. Darunter fallen unter anderem die Erneuerung einer Prallschutzwand sowie die thermische Sanierung des Treppenhauses in der Schulturnhalle, oder der Austausch von Fenstern im Kinderhaus Spatzennest. Außerdem sollen der Parkplatz an der ATSV-Halle neu asphaltiert und Fotovoltaikanlagen auf weiteren kommunalen Liegenschaften angebracht werden.

Zum Abschluss ihrer Ausführungen gab Christiane Prosser den Gemeinderäten mit auf den Weg, dass die Vermeidung von weiteren Darlehen oberste Priorität haben müsse. Gleichzeitig solle sich der Markt einen großen Bewegungsspielraum offen halten. "Große Sprünge" werden nach Meinung von Thomas Kroll (SPD) in den nächsten Jahren trotzdem nicht möglich sein. "Der neue Gemeinderat wird genau hinschauen müssen, was er sich leisten kann." Dennoch - und da waren sich alle fraktionsübergreifend einig - seien die getätigten Großinvestitionen nötig und konsequent. "Wir haben alles richtig gemacht", befand etwa Siegfried Seidinger (CSU). Als einen "soliden, guten Haushalt", lobte Klaus Seidinger (UWG) das Zahlenwerk. Rüdiger Za (Grüne) merkte an, dass man aber mit weiteren Kreditaufnahmen vorsichtig sein müsse und die Personalkosten der Gemeinde im Blick behalten solle.

Sehr zufrieden mit dem Finanzplan seiner Gemeinde war auch Bürgermeister Ockel selbst. "Wir können schon ein bisschen stolz auf uns sein", so der scheidende Rathauschef. Ab und zu wäre es zwar schon wünschenswert, wenn man sich ein bisschen mehr leisten könne, "aber man hat ja bekanntlich mehr Freude über etwas, das man sich hart erarbeitet hat".

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