Süddeutsche Zeitung

Markt Schwaben:"Wir sind Krisen nicht mehr gewohnt"

Beim THW Markt Schwaben ist man für den Notfall gerüstet - zumindest im Moment

Von Johannes Korsche, Markt Schwaben

In einer Garage des Technischen Hilfswerks Markt Schwaben (THW) stehen zwei Dieselgeneratoren, die ganz gut veranschaulichen, was ein grundsätzliches Problem im Katastrophenfall ist: Einer davon ist einigermaßen neu und kann Strom für etwa 280 Haushalte erzeugen. Daneben aber steht ein älteres Modell, Anfang der 1980er Jahre angeschafft, kurz nachdem ein Schneechaos die Stromversorgung in Teilen Bayerns lahmgelegt hatte. "Der schafft vielleicht noch eine Intensivstation und die Sauerstoffversorgung in der Ebersberger Klinik", sagte Dominik Fehr, Fachberater beim THW, zu den SPD-Landtagsabgeordneten Doris Rauscher und Florian von Brunn, und deutet auf die ältere Variante des Stromgenerators. Das sei ein klassisches Problem beim Katastrophenschutz: Dass etwas fehlt oder veraltet ist, merkt man oft erst, wenn es zu spät ist. Ähnliches gelte auch für Privatpersonen.

"Wir sind nicht mehr gewohnt, mit Krisen umzugehen", sagte Fehr, was natürlich per se nichts Schlechtes ist. Aber man solle im Kopf durchspielen, was bei einem in der Wohnung oder dem Haus los wäre, wenn der Strom ausfällt. Oder anders gesagt: Was nützen Warnapps auf dem Smartphone, wenn man das Handy nicht mehr laden kann? So wie momentan die Bewohner des Ahrtals, durch das sich vor kurzem eine Jahrhundertflut wälzte. Oder wenn der Wasserhahn auch aufgedreht trocken bleibt und die Lampe nicht hell wird. "Wir sind so abhängig vom Strom", sagte Fehr. Die Netze allerdings würden durch Photovoltaik-Anlagen auf privaten Dächern nicht gerade stabiler. Im Gegenteil, die Dezentralisierung schaffe Schwankungen im Stromnetz, die nicht erst bei einer Jahrhundertflut zum Problem werden könnten. Die Empfehlung: einen Notvorrat Trinkwasser, einige haltbare Nahrungsvorräte im Schrank und Kerzen. "Ich habe letztens erst einen Mineralwasservorrat angelegt", sagte Rauscher.

Auch bei der Alarmierung der Bevölkerung im Fall einer Katastrophe wie vor kurzem in Ahrweiler sehen die Markt Schwabener Helfer Nachholbedarf. Im vergangenen Jahr wurde die Warninfrastruktur getestet, beziehungsweise: es wurde versucht. Denn jene Sirenen, die alle Menschen in ihrem Umfeld unabhängig vom Akkustand oder Empfang des Handys warnen könnten, sind weitgehend abgebaut. Immerhin seien, so berichtet von Brunn aus dem Landtag, noch 12 000 Sirenen in Bayern aktiv.

Die Bilder aus dem Ahrtal, da waren sich alle einig, stellten den Stellenwert des Katastrophenschutzes wieder einmal heraus. Auch das THW Markt Schwaben werde wahrscheinlich noch dorthin ausrücken, hieß es. Die Aufräumarbeiten werden noch Wochen dauern, man stehe bereits auf den Nachrückerlisten, so Stefan Sandner, der stellvertretender Ortsverbandsbeauftragter beim THW Markt Schwaben ist. Weil es eben ein rotierendes System bei den Helfern gebe, sei es wahrscheinlich, dass man dort auch noch helfe.

Für solche Einsätze aber braucht das THW die nötigen Mittel. "Wir waren jahrelang massiv unterfinanziert", sagte Sandner. "Die Vorsorge kostet immer Geld, ohne, dass man sofort eine Wirkung sieht." Inzwischen sei das besser geworden, aber für Neuanschaffungen sei man auf Sonderprogramme der Politik angewiesen. Laufen die aus, gibt es auch keine neuen Fahrzeuge. Im übernächsten Jahr sei es wieder soweit, dann fiele etwa die Hälfte des Haushalts weg. Für einen Gerätekraftwagen, der einem Feuerwehrauto ähnelt, kommen schnell um die 320 000 Euro zusammen. Auch weil alleine die Ausrüstung des Autos mit Atemmasken, Hydraulikheber, Schweißgerät, Trennschleifer und noch einigem mehr um die 100 000 Euro kostet. Immerhin, der in die Jahre gekommene Stromgenerator soll bald ausgetauscht werden, das sei vom Landkreis zugesagt. Ebenso wie ein neues Fahrzeug, dessen Ankunft in Markt Schwaben Dominik Fehrs und Stefan Sandner im Oktober gerne richtig feiern würden. Denn bei all den Mahnungen in Richtung Politik sagen sie auch: "Wir werden hier vom Landkreis sehr gut unterstützt."

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Quelle:
SZ vom 29.07.2021
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