Markt Schwaben: Weiherspiele:Caipirinha, Drogen und leichte Mädchen

Die Frauen haben Blüten im Haar, die Bürgermeisterin giert nach Drogen: Mit "Schnee am Zuckerhut" bringen die Weiherspiele Markt Schwaben brasilianisches Flair nach Bayern - Abgründe inklusive.

L. Grundhuber

Und da heißt es immer, die Welt sei so groß und so komplex. Ja mei, würde Josef Schmid wahrscheinlich sagen, das mag sein, aber dann darf man ihr halt nicht so viel Platz lassen. Geschrumpft auf die Größe eines Weihers nämlich sieht sie plötzlich sehr übersichtlich aus. Sogar, wenn es sich um Rio de Janeiro handelt. Links steht die Villa des Drogenbarons, daneben sammelt sich das arme Volk in den Favelas und rechts wachen weltliche und geistliche Obrigkeit in Gestalt von Rathaus und Kirche darüber, dass die soziale Ungerechtigkeit brav an Ort und Stelle bleibt.

Markt Schwaben: Weiherspiele: Leichte Mädchen, Caipirinhas und Drogenprobleme: "Schnee am Zuckerhut" zeigt das schöne Leben in Brasilien - und die Abgründe.

Leichte Mädchen, Caipirinhas und Drogenprobleme: "Schnee am Zuckerhut" zeigt das schöne Leben in Brasilien - und die Abgründe.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Drei Seebühnen, mehr braucht Josef Schmid, Leiter der Weiherspiele, auch im 26. Jahr der Spiele nicht, um die Welt an das Markt Schwabener Gewässer zu holen. Denn, so der Autor und Regisseur bei der Premiere des neuen Stücks "Schnee am Zuckerhut" am Donnerstag: Hier werde nicht nach Lösungen gesucht, hier gehe es um Unterhaltung; völlig in der Ordnung der Dinge also, wenn Brasilien vor allem als Kulisse herhält.

Die Äußerlichkeiten bestechen auch heuer mit Liebe fürs Detail und einem unbekümmerten Griff in die Klischee-Kiste. Auf die sonnige Seite der gesellschaftlichen Avenida gehören rote Cabrios und Swimming Pool, während in den Slums die Wäsche aus dem Fenster hängt. Die schwermütigen Ehefrauen der Upper Class betäuben sich mit Caipys, die leichten Mädchen wedeln mit bunten Röcken - und wer noch Gefühle hat, trägt rote Blüten im Haar.

Weil der Brasilianer hierzulande vor allem seines Ball- und Rhythmusgefühls wegen bewundert wird, kommt nicht nur der Fußball ins Spiel, sondern auch eine echte brasilianische Tanzgruppe. Mit Karnevalsfedern und einem "Jesus", dessen Hüftschwung nicht nur auf der Bühne für merkliche Unruhe unter den Damen sorgt.

Aber Autor Schmid will auch die Abgründe vorführen, und da wird es nun doch komplex an dem kleinen Weiher, wo sich Drogengeschäfte und Liebeshändel unentwirrbar verstricken. Grob gesagt geht es um eine Bürgermeisterin, die süchtig ist nach dem "Schnee" am Zuckerhut, aber den Koks-Dealern aus politischen Gründen das Wasser abgraben will. Daneben agiert ein Padre in Lederjacke (Fritz Humplmayr), der auf dem Motorrad kam, um die Welt zu bessern und auf dem Motorrad geht, um mit seinem Mädchen in den Urlaub zu fahren.

Die Bösen werden geläutert, die Guten korrumpiert

Die Tochter des Drogenbosses inszeniert ihren Freitod, weil die Liebe zu ihr zwei Brüder entzweit - und weil sie die Machenschaften ihres Vaters entdeckt hat. Erst als letzterer sein schmutziges Geld verschenkt und die Kleindealer sich zu einem Fahrradhandel bekehren, kommt Teresa zurück. Am Ende sind die Bösen ein bisschen geläutert und die Guten ein bisschen korrumpiert. Hinsichtlich der Moral von der Geschicht' bleibt man etwas ratlos zurück, aber das ist im echten Leben ja nicht anders.

Dass Weiherspiele-Stars wie Hermann Bogenrieder ausgestiegen sind, hat Schmid mit einem Coup kompensiert: Einige echte Brasilianer bringen authentischen Akzent und viel Spielfreude ein. Vor allem die Frauen - wie Anna Seiler als Dona Dora, Juliana Morinho als Teresa und Fatima Nascimento als Analena - erfreuen mit Präsenz und Komik. Etwas weniger Handlungsstränge, dafür mehr inhaltliche Stringenz hätten es Höhepunkten wie Teresas Lied und Analenas Wahrsagerei allerdings noch leichter gemacht zu glänzen. So leuchten vor allem Kulisse, Kostüme, Feuerwerk, Tänzer und die Glühwürmchen am Himmel - es ist Sommer, da kann der Rest noch so komplex sein.

Das Stück wird von 24. Juni bis zum 1. August aufgeführt - immer am Donnerstag-, Freitag- und Samstagabend. Und ab dem 14. Juli auch Mittwochabends.

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