Dialog in Markt Schwaben:Setzt euch und lasst uns reden

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Bei der Dialogveranstaltung sind Bürgerinnen und Bürger aus Markt Schwaben ins Gespräch miteinander gekommen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Markt Schwaben braucht respektvolle Begegnungen und Austausch - das findet jedenfalls "MS Miteinander". Zusammen mit dem Verein "Frühlingserwachen" hat die Initiative deshalb am Sonntag ein Dialogformat auf dem Marktplatz veranstaltet, mit großem Andrang.

Von Saladin Salem, Markt Schwaben

Der Marktplatz von Markt Schwaben sieht am Sonntag etwas anders aus als gewöhnlich: Den gesamten Vormittag über bis hin zum Nachmittag zieren ihn nämlich sieben bunt angestrichene Stühle. Einige von ihnen sind bereits besetzt, die Menschen darauf in Gespräche miteinander vertieft. Andere Stühle wiederum warten noch auf Passanten, die sich spontan dazu gesellen. Und drumherum schwirren die Freiwilligen der Initiative "MS Miteinander" und des Vereins "Frühlingserwachen", die an diesem Tag eine Plattform zum Dialog in Markt Schwaben bieten wollen.

Die Aktion nennt sich "Wandernde Stühle", ein Format, das der Verein Frühlingserwachen bereits seit mehreren Jahren in ganz Deutschland betreibt, um Raum für respektvolle Begegnungen zu schaffen. Nun unterstützt der Verein die neue Markt Schwabener Initiative MS Miteinander dabei, den Dialog auch in die Marktgemeinde zu bringen. Es soll "keine Podiumsdiskussion" werden, erzählt Andreas Gammel, Mitglied der Initiative. Es gehe ein Riss durch den Ort, bei dem die "Wandernden Stühle" einen Beitrag leisten könnten, ihn zu reparieren. Zuletzt hatten die Diskussionen um eine geplante Flüchtlingsunterkunft in dem Ort für Aufsehen gesorgt. Eine Bürgerinitiative wandte sich gegen das Vorhaben, der Markt Schwabener Bürgermeister Michael Stolze (parteilos) verkündete im Zuge dessen seinen baldigen Rücktritt.

Die Initiatoren der Aktion "Wandernde Stühle" sind bereits seit 9.15 Uhr auf dem Marktplatz, hier von links nach rechts: Bettina Ismair, Susi Gammel, Birgit Santos, Andreas Gammel, Marco Gnacy, Iulia Moaca und Alina Hartmann. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bereits im Dezember sei zu spüren gewesen, dass der Ton in der Gemeinde sich verschärfe, so Gammel weiter. Man habe zwar mit Kritik gerechnet, auf einer Bürgerversammlung zur Flüchtlingsunterkunft Ende des vergangenen Jahres seien aber auch teils rechte Sprüche gefallen. Und wenn die Flüchtlingsunterkunft einmal da ist, werde sich ein gutes Miteinander der alten und neuen Anwohner wohl nicht einfach so ergeben. Auch für diese Zeit sei die Initiative da.

Mehrere Dutzend Menschen kommen am Vormittag auf den Marktplatz. Einige von ihnen sind nur zufällig gekommen, beispielsweise auf dem Nachhauseweg nach dem Gottesdienst. Andere schauen wohl absichtlich bei dem Dialogformat vorbei, wie die Gemeinderatsmitglieder Joachim Weikel (Grüne) oder Manfred Kabisch (SPD), der sich gleich nach Ankunft in eine Namensliste von MS Miteinander einträgt. Man sammle Interessenten für einen Kennenlern-Stammtisch und einen Newsletter, so Gammel.

Die meisten hier sind sich einig, dass es Vielfalt braucht

Die Besucher auf den "Wandernden Stühlen" sind angetan von der Aktion - einer von ihnen ist Hans-Peter Heil. Er sei gekommen, "weil die Welt für mich bunt ist". Das Land sei ohnehin auf Vielfalt angewiesen. Zwei Stühle weiter erzählt Erika Gümüş, die Stimmung sei nicht nur in Markt Schwaben, sondern allgemein aktuell aufgeheizt. Früher habe man auch Geflüchtete aus Bosnien in der Gemeinde gehabt, 2015 auch - da sei die Stimmung nicht so gekippt, sagt Gümüş. Man lebe eben in schwierigen Zeiten und es werde gegen jene Menschen Stimmung gemacht, die die "niedrigste Lobby" haben.

Dass es Vielfalt braucht, darin scheinen sich die meisten Marktplatzbesucher also einig zu sein. Ob sich noch jemand der Diskussion anschließt, der sich komplett gegen die Flüchtlingsunterkunft in Markt Schwaben ausspricht, wagt Hans-Peter Müller zu bezweifeln. Auch Naima Klose vom Verein Frühlingserwachen ist sich nicht sicher, ob es an diesem Tag noch zu größeren Konfrontationen beim Dialog kommt. Das sei aber auch gar nicht zwingend notwendig, findet Klose, es gehe bei diesem ersten Termin mit MS Miteinander vor allem darum, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Und bisher liefen die Gespräche ziemlich gut. Nicht nur die Flüchtlingsunterkunft sei Thema, man spreche auch mal über alte Lehrer im Ort oder über das eine oder andere leerstehende Gebäude.

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Auch Iulia Moaca, Mitglied der neuen Markt Schwabener Initiative, erlebt die Gespräche vor Ort als vielfältig. Es gehe sowohl um Politik als auch um Privates. Für sie ist die Aktion ein Erfolg, denn es kämen tatsächlich Menschen zusammen, die sich noch nicht kennen. Sie hingegen empfindet es schon als schade, dass bisher keine Menschen aus dem Viertel am Ziegelstadel vorbeigeschaut hätten - dem Ort, an dem die Flüchtlingsunterkunft entstehen soll. Denn der Verein Frühlingserwachen sei sogar mit Botschaftern gekommen, um bei schwierigen Dialogen helfen und vermitteln zu können. Die Stimmung im Ort sei nach wie vor angespannt, findet Moaca. Aber es gebe auch viele Menschen, die Konzepte zur Unterbringung von Geflüchteten befürworten. Aktuell werde allerdings zu viel darüber gesprochen, wo diese neuen Bewohner Markt Schwabens unterkommen, sagt sie weiter. Vielmehr müsste es darum gehen, was passiert, wenn die Leute einmal da sind.

An offenen Gemütern zumindest fehlt es in Markt Schwaben wohl nicht. Die Stühle füllen sich über den Vormittag hinweg weiter, zwischendurch ist keiner der Plätze mehr zu haben. Und auf der Namensliste von MS Miteinander finden sich gegen Mittag ebenfalls bereits zahlreiche Einträge.

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