Markt Schwaben:Schnelle Komik mitten aus dem Leben

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Mit einer gut ausbalancierten Mischung aus Anspruch und Unterhaltung gewinnen die Improvisationskünstler das Publikum. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Improvisations-Ensembles "FKK" und "Tatwort" erwecken den Kulturgeist punktgenau wieder zum Leben.

Von Ulrich Pfaffenberger, Markt Schwaben

Worüber redet man am Wochenende beim Frühstück? Sabine und Ferdinand sowie Doro und Michi würden sich die Themen vielleicht gern selbst aussuchen. Aber diesmal sind sie den Vorgaben ausgeliefert, die ihnen andere zurufen. Denn die vier Mitglieder der beiden Improvisations-Theater FKK und Tatwort stehen auf der Open-Air-Bühne beim alten Feuerwehrhaus von Markt Schwaben und haben die Stichworte vom Publikum zugeworfen bekommen. Auf gelben, roten und blauen Zetteln liegen schöne deutsche Sätze vor ihnen auf dem Boden und lauern darauf, aufgegriffen zu werden und dem Gespräch eine neue Wendung zu geben. "Im Suchen liegt das Finden" und "Zart sein ist eine Superpower" lassen sich ja noch relativ locker in eine Unterhaltung einflechten. Aber was macht man aus "Die groteske Szenerie, die sich mir im Markt Schwabener Lusthaus bot, jagte mir kalte Schauer über den Rücken"?

Der Lockerheit der Schauspieler und der gelösten Stimmung im Parkett nach zu urteilen, ist Improvisationstheater offenbar geschaffen dafür, den einen die Rückkehr auf die Bühne zu erleichtern und die anderen mit einer gut ausbalancierten Mischung aus Anspruch und Unterhaltung wiederzugewinnen. Für den Zwischenhalt der Kultursommer-Landkreisreise in Markt Schwaben hat die Kombination punktgenau gepasst; weshalb aus dem reichlich gewährten Applaus Dankbarkeit, Freude und Anerkennung zu gleichen Teilen herauszuhören waren. Die Komik aus der Reduktion auf schnelle Sprachspiele kratzt intensiv an der Hirnrinde und am Zwerchfell, ein Reaktivierungsprogramm für den Kulturgeist wie aus dem Lehrbuch.

Was sicher dazu beigetragen hat: Die Kürze der Nummern und die Vielfalt der Formate sprachen die unterschiedlichsten Geschmäcker an. Selbst Weiher-Fans kamen auf ihre Kosten, als das Ensemble aus den zugerufenen Begriffen ein Musical namens "Die verrückte Wolke" aus dem Ärmel schüttelten. Im Unterschied zu den sich gemütlich entwickelnden Singspielen präsentierte sich dieses Opus als dicht gepackte Reihenfolge von Nummern, über denen fröhlich grinsend eine rosarote Schweinswolke schwebte. Wie das Quartett und ihr Pianist die gängigen Musicalmuster aufgriffen, sich gesungene Sätze im da capo zuschmachteten und Belanglosigkeiten zum Drama umwandelten, das war Parodie in Reim-, Rein- und Hochkultur. Mitten aus dem Leben wiederum kam die eigenwillige Wiedergabe eines Tages im Leben eines medizinischen Fachangestellten, der sich selbst, seine Chefin und den Klinikprofessor so lebensnah vermutet und interpretiert sah, dass er sich auf der Bühne vor Lachen bog. Wobei nicht nur dem humoristischen Talent der Schauspieler Tribut zu zollen ist, sondern ihrem aufs Wesentliche reduzierte Kondensat von Lebenserfahrung und Fantasie.

Zur Höchstform laufen FKK und Tatwort in einer Szene auf, die einem TV-Talk nachempfunden ist, einer Sendung über die Eigenheiten des, vom Publikum gewünschten, Schnabeltiers. Während die beiden Damen gemütlich vor sich hinplaudern, gibt Maurer den Gebärdendolmetscher, der angesichts zahlreicher unübersetzbarer Begriffe immer mehr ins Schleudern gerät. Eine Art "Scharade reverse" zaubert er auf die Bühne, weit entfernt von einer Parodie, vielmehr erfüllt von einer Verzweiflung, wie man sie zum Beispiel aus den Filmen Buster Keatons kennt: Bevor die "sechsstöckigen Wohnhöhlen, die sie in einzelne Räume unterteilen" ganz übersetzt sind, fordert da schon das "Matriarchat" nach einer zweifelsfreien Geste. Gefangen in einer Verfolgungsjagd zwischen den gesprochenen Worten und der rastlosen Suche nach immer neuen Gesten für den Fachjargon gerät die Performance zu einem Paradebeispiel dafür, wie man beim kommunikativen Brückenbau an seine Grenzen geraten kann - gerade und vor allem ohne Worte.

Die schwächste Nummer im gut zweistündigen Programm passiert den Improvisateuren, als sie sich an Dialekten versuchen, die ihnen das Publikum zugerufen hat. Es soll um einen Zeltaufbau angesichts eines heraufziehenden Gewitters gehen, aber mehr als Planen, Heringe und Seile geraten den Protagonisten die Mundarten durcheinander, die Handlung entwickelt sich zäher als erwartet. Man zieht die große Abwinkgeste einfach ein paar Minuten vor. Auch diese Notbremse ist Teil der Improvisation, dramaturgisch zur rechten Zeit gezogen und formvollendet dargestellt: Lieber professionell abbrechen, als witzlos herumdilettieren.

Wie überhaupt das professionelle Niveau des Quartetts für durchgängig kurzweiliges Bühnengeschehen sorgt. Ein erheitertes und geistig angeregtes Publikum spendet langen, intensiven Beifall und bekommt als Belohnung den fiktiven Krimi "Werkzeugkoffer des Todes" mit auf den Heimweg, in dem ein humanoider Roboter den weitestgreifenden kulturellen Wandel unseres Lebens andeutete: "Jennifer, ich weiß, wo der nächste Mord passiert!"

© SZ vom 26.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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