Wenn Joe Heinrich auf der Bühne steht, kommt er praktisch nie zu Wort. Und das, obwohl sein Programm eigentlich eine One-Man-Show ist. Doch ganz alleine spielt Heinrich eben gerade nicht, vielmehr hat er einen Haufen kongenialer Partner dabei: den "Wolpert und seine Freunde" nämlich, deren "Assistent" er ist. Denn der 45-Jährige hat sein ganz eigenes Genre erfunden, irgendwo zwischen kabarettistischem Puppenspiel und politischem Kasperltheater. Das heißt, er agiert mit Figuren - bietet damit allerdings keine harmlos-nette Unterhaltung, sondern Comedy der Kategorie "bayerisch, bissig, derb". Zu erleben ist das Ganze am Donnerstag, 29. Juli, beim "Kultursommer"-Open-Air in Markt Schwaben.
"Ich bin kein Bauchredner", stellt Heinrich im Gespräch gleich klar, vielmehr seien seine Puppen "richtige Typen, ganz eigene Persönlichkeiten, die das Publikum selbst ansprechen und immer wieder für Überraschungen sorgen". Die durch die Bank selbst gebauten Figuren gelten ihrem Schöpfer als "Ikonen, die groteske, prägende Bilder schaffen". Das zu erklären, ist Heinrich wichtig, denn oftmals könnten sich die Menschen allein anhand eines Plakats nicht viel unter seiner Kunst vorstellen. "Man gerät da schnell in eine falsche Schublade." Möglicherweise ist das der Preis für seine Originalität.
Vor 45 Jahren geboren in Mainz und anschließend sozialisiert in München, ist Joe Heinrich geprägt von einer Popkultur voller Puppen, von Filmen wie "Der dunkle Kristall" oder "Star Wars", von TV-Formaten wie der "Muppet Show". So verwundert es kaum, dass er bereits während seines Studiums - Malerei, Bildhauerei und Grafik - seine ersten eigenen Puppen schuf. Doch auch als Comicautor, Youtube-Komiker sowie Moderator war und ist Heinrich unterwegs. Als Kabarettist aber ist er eben nur Assistent - für sein Alter Ego, einen Wolpertinger, das Zentrum einer bunten Nummernrevue. Denn um den "Wolpert" herum treten allerhand witzig-absurde Fantasiefiguren auf: der wortkarge "Leberkäs-Bob" etwa, oder Linda Litzky, ein Krokodil mit Berliner Schnauze, oder der Möchtegernverführer Edi Cinzano. "Seine Anmache ist so billig, doch er kriegt sie alle", erzählt Heinrich und lacht. Außerdem im Programm: diverse Politiker wie König Söder, The Donald, Mutti Merkel, Don Edmundo Stoiber oder Sultan Erdoğan - Parodien im handlichen Puppen-Format, mit denen Heinrich brisante Themen serviert. Jahrelang bereicherte er damit die Sendung "Quer" des Bayerischen Rundfunks.
Überhaupt: Als "gentrifizierter Münchner", der wegen der hohen Mieten mittlerweile in Landsberg am Lech lebt, widmet sich Heinrich liebend gerne dem Thema Bayern. Beziehungsweise den Bewohnern dieses Landstrichs und ihren Attitüden. "Ich habe diese Bayerntümelei, diesen Nationalstolz nie verstanden", sagt der 45-Jährige, "denn meiner Meinung nach ist es nur Schicksal, wo man geboren wird." Um diese Botschaft an den Mann und die Frau zu bringen, hat Heinrich den Wolpert erfunden: eine zutiefst bayerische Figur, die erklärt, warum ihre Heimat das schönste Land auf der Welt sei - doch letztlich genau diese Haltung konterkariert. Schon alleine dadurch, dass er, der Wolpert, ehemaliger "Stift vom Mooshammer", schwul ist. Heinrich sieht ihn damit in einer Reihe "trauriger Figuren, vom König Ludwig bis zum Walter Sedlmayr".
Mehr Demut und Toleranz, das also sind die Hauptthemen von Joe Heinrichs Programm - aber auch andere gesellschaftliche Probleme bewegen ihn merklich. "Es ist eigentlich schon fünf nach zwölf", sagt er, doch es werde immer schwieriger, das Publikum zum Nachdenken zu bringen, ohne es gleich zu vergraulen. "Es gibt so viele Themen, die wirklich strittig sind, und die Spaltung wird ständig tiefer." Egal ob Klima, Tempolimit oder Ernährung: vieles sei heutzutage für einen Kabarettisten sehr heikel. Mal habe sich ein Ehepaar direkt vor der Bühne wegen des SUV des Mannes in die Haare bekommen. "Die Bereitschaft, zuzuhören, auch wenn es weh tut, und am Ende über sich selbst zu lachen, nimmt spürbar ab", sagt Heinrich. Diese Klage höre er auch von vielen Kolleginnen und Kollegen. Um seine teils bissigen Botschaften trotzdem verdaulich vermitteln zu können, setzt der Kabarettist ganz bewusst auf Flachwitze. "Gags, über die jeder lachen kann, lockern die Stimmung einfach auf", erklärt er. "Damit verhindere ich, dass die Menschen gedanklich in möglicherweise negativen Schleifen hängen bleiben." Peitsche und Zuckerbrot also. Klingt nach einer guten Mischung.
"Der Wolpert und seine Freunde" von Joe Wolpert, am Donnerstag, 29. Juli, im ehemaligen Feuerwehrhof in Markt Schwaben. Am Freitag, 30. Juli, gibt es dort ein Best-of Theatermusik, am Samstag, 31. Juli, sorgt die Coverband "Smile" für Stimmung. Beginn ist jeweils um 19.30 Uhr. Am Sonntag, 1. August, lädt die Marktkapelle von 10.30 Uhr an zum Frühschoppen, den Abschluss macht um 15 Uhr eine Zirkusschau mit Clown Pippo. Karten gibt's unter www.theater-marktschwaben.de.