Eigentlich hätten Staatsminister Thorsten Glauber und LMU-Professor Harald Lesch sich auch auf ein Bierchen treffen können, so angenehm war am Sonntagmorgen die Plauderatmosphäre, findet der bekannte Astrophysiker, den viele aus dem Fernsehen kennen. Rund 250 Menschen, unter ihnen auch die Bürgermeisterinnen von Markt Schwaben und Anzing sowie der Bürgermeister von Forstinning, waren in den bestuhlten Unterbräu-Saal zu den Markt Schwabener Sonntagsbegegnungen gepilgert, um dem Zwiegespräch der beiden zu lauschen – das Thema: „Bayern. Die Welt. Unser Kosmos.“
Seit 1992 gibt es das kluge Dialog-Format, dass vor 32 Jahren von Bernhard Winter, Psychotherapeut und Altbürgermeister von Markt Schwaben, in Leben gerufen wurde und dank seiner Bemühungen und des Teams um ihn herum schon so manchen Prominenten und viele Zuhörer aus anderen Landkreisen in die beschauliche Marktgemeinde führte.
Jubiläum in Markt Schwaben:"Alleine sieht man die Wahrheit nicht"
Vor 30 Jahren initiierte Bernhard Winter die erste "Sonntagsbegegnung" in Markt Schwaben. Seitdem fand das Dialogformat 111 Mal statt. Hier spricht Winter über den Wert echter Begegnungen, erklärt, nach welchen Kriterien er die Gesprächspartner auswählt, und ob das Gespräch zwischen Cem Özdemir und Campino doch noch stattfindet.
„Meine Tochter ist acht Jahre. Wenn sie 53 ist wie der Papa, wie ist dann unsere Erde?“, fragte Glauber zum Auftakt sein Gegenüber Lesch, der ihn auf seinem Weg als Staatsminister schon oft mit Rat und Tat zur Seite stand. Auf jeden Fall könne man sich in 40 bis 50 Jahren auf eine andere Klimastruktur einstellen, wenn man so weitermache wie bisher. Bedeutet: ein Grad Celsius mehr, die Häufung von Umweltkatastrophen wie Überschwemmungen und Hurrikans, aber auch die Ausweitung von Dürre.
Leschs Empfehlung daher an den Nachwuchs: „Pass dich an diese neue Welt an und suche dir einen Beruf, wo du mit daran arbeiten kannst, dass es besser wird.“ Glauber selbst hat in den Pfingstferien nach einem Urlaub im Allgäu erlebt, wie schnell eine Katastrophe eintreten kann. Mittwochs nach einer Wetterwarnung bei Sonnenschein abgereist, ab Freitag dann Katastrophenalarm. „Auch wenn das Wasser nicht aufzuhalten war, konnte man die Menschen warnen und insgesamt 7000 konnten an dem Wochenende in Sicherheit gebracht werden.“
Naturkatastrophen werden häufiger, sagt Astrophysiker Harald Lesch
Lesch glaubt, dass die Menschen mehr darauf vorbereitet und auch politisch dabei begleitet werden müssen, dass Umweltkatastrophen immer wieder auftreten werden. Er plädiert dafür, dass die Bevölkerung widerstandsfähiger werden muss: „Alle im Dorf müssen Mitglied in der Freiwilligen Feuerwehr sein und zweitens müssen alle einen Obolus entrichten für das DRK, die Malteser oder die Johanniter.“ Schließlich seien das die Organisation, die wir brauchen, wenn es zum Fall der Fälle kommt. Die werden in Zukunft nicht nur auf Bayern beschränkt sein: „Naturkatastrophen sind ein Aggregatzustand, der häufiger wird.“
Zusammenhalt hält auch Glauber für enorm wichtig. In den eigenen Politikerreihen spüren und hören so einige die ländliche Bevölkerung nicht, so der 53-Jährige. Es fehle seiner Meinung nach die nötige kommunalpolitische Erdung. Oft werde von oben herunter entschieden.
Wo die beiden auch schon beim nächsten Thema, nämlich dem der Heimatenergie landeten – laut Lesch das Beste, was uns je passieren kann: „Ob Photovoltaik, Biogas oder Windkraft: Sie macht unabhängig und das Portemonnaie dicker“, so der Professor und klopft dabei auf seine Hosentasche. Auch der Staatsminister glaubt, dass mit der Auflösung der 10-H-Mindestabstandsregelung zu Siedlungen die Bremse für Windkraft wieder raus ist: „Ende dieses Jahres werden wir bei 80 bis 85 genehmigten Windkraftanlagen sein.“
Für Staatsminister Thorsten Glauber gibt es kein regionaleres Produkt als Wasser
Und wie steht es eigentlich um die Wassersituation in Bayern? Nachdem diese 2018 bis 2021 Glauber zufolge eher schlecht bis mittelprächtig ausgefallen war, verbesserte sie sich 2023 bis 2024 wieder. Glauber betonte die Besonderheit, dass es mehr Wasserversorger als Gemeinden in Bayern gibt. Es gebe kein regionaleres Produkt, was auch für die Rekommunalisierung wichtig ist. Rund 200 Millionen Euro werden im Jahr an Wasserversorger in Bayern ausgegeben, etwa für Brunnen oder Sanierung der Rohre. In einer funktionierenden Infrastruktur sei Wasser das A und O, man könne nicht fahrlässig damit umgehen. „Wasser muss geschätzt und geschützt werden“, so Glauber. „Man verliert keine Wahl, wenn das Wasser teurer wird – du verlierst die Wahl, wenn kein Wasser mehr rauskommt!“
Lesch findet, dass bei vielen eine Vorstellung für Wasser und Energie fehlt – als Analogie verweist er auf ein Experiment mit einem Rennradsportler, der so lange in die Pedale treten musste, bis ein Toast in einem Toaster fertig getoastet war. „Wer dieses Experiment anschaut, wird nie wieder unbedacht in einen Toast beißen“, sagt der Wissenschaftler.
Zum Schluss kam aus dem Publikum die Speicherproblematik der erneuerbaren Energien zur Sprache. Harald Lesch sieht in einer Batterie „made in Germany“ das Geschäftsmodell schlechthin. Man solle Wissen bündeln, zusammenhalten und vor allen Dingen: sich nicht von „irgendwelchen Dummschwätzern“ einreden lassen, es gäbe den Klimawandel nicht – „wir stecken mittendrin“.