Sonntagsbegegnungen in Markt Schwaben:Zwischen Fakten und Fake News

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Katja Wildermuth, Intendantin beim Bayerischer Rundfunk, im Dialog mit Thomas Hanitzsch, Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU München: Es geht um die Frage, wie wir informiert werden. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Durch eine sich verändernde Medienlandschaft zu navigieren, stellt die Demokratie vor Herausforderungen. Die Intendantin des Bayerischen Rundfunks Katja Wildermuth und Kommunikationswissenschaftler Thomas Hanitzsch suchen im Zwiegespräch nach Lösungen.

Von Nora Schulte, Markt Schwaben

„Meditationstipps am Sonntagmittag“, kommentiert Katja Wildermuth, Intendantin des Bayerischen Rundfunks (BR) lachend, als Thomas Hanitzsch vom Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU München von der Wut erzählt, die bei so mancher politischen Diskussion aufkommt und die man unbedingt vorbeiziehen lassen müsse, um konstruktive Debatten zu führen.

Um Meditation dreht sich der Austausch wohl kaum, dafür aber greifen die Gäste Katja Wildermuth und Thomas Hanitzsch Stichworte wie Kommunikation, Medienlandschaft, Debattenkultur und einiges mehr auf, als sie im Rahmen der 120. Markt Schwabener Sonntagsbegegnung ein Zwiegespräch mit dem Titel „Wie werden wir informiert?“ führen.

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Der politische Diskurs im privaten Kreis sowie auf Online-Plattformen ist nur eines der Themen, das dabei Beachtung findet. Der aktuelle Medienwandel manifestiere sich darüber hinaus auch in einer Verschiebung der Kommunikationskanäle, beschreibt Wildermuth etwa in ihrer ersten These. Journalisten hätten früher als „Gatekeeper“ fungiert und entschieden, welche Informationen wie gewichtet und ausgespielt werden. „Mittlerweile“, sagt die 58-Jährige, „kann jeder Sender sein.“

„Der Populismus ist im Vormarsch“, sagt BR-Intendantin Katja Wildermuth

Aufgrund dieser „Flut von ungeprüften Informationen“ sei eine Unterscheidung zwischen Fakten und Fake News zunehmend herausfordernder. Sie selbst neige dazu, die Problematik der Desinformation zu unterschätzen, gesteht die Intendantin und bezieht sich auf den „World Risk Report“. Auch dieser zeige die Unfähigkeit vieler auf, zwischen Wahrheit und Unwahrheit zu unterscheiden. „Der Populismus ist im Vormarsch“, führt die Journalistin an und warnt, dass das Vertrauen in die Medien gezielt geschwächt werde.

Auch für den Kommunikationswissenschaftler Hanitzsch ist klar, dass sich die Gesellschaft mitten in einer „tiefgreifenden, fundamentalen Transformation“ der Medienlandschaft befindet. Als Journalisten statt auf der Schreibmaschine auf dem Computer getippt oder die Pressebilder statt Schwarzweiß in Farbe gedruckt wurden, hätte bereits manch einer beschlossen, dass „jetzt alles den Bach runtergeht“, sagt der 55-jährige LMU-Professor schmunzelnd. Doch angesichts von Social Media sei nun an dieser Prophezeiung tatsächlich etwas dran. Der Journalismus arbeite zwar nach denselben Prinzipien, doch sowohl die Techniken als auch die Ausspielkanäle hätten sich stark verändert.

Thomas Hanitzsch ist Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung an der LMU München. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Sensationalisierung zahlreicher Inhalte sieht Wildermuth außerdem als Folge der Abhängigkeit von Algorithmen. Jegliche Information, die vom BR auf den wenigen großen Plattformen wie etwa Instagram veröffentlicht ist, wird von dieser transportiert und unterschiedlich groß ausgespielt. Das Ziel der Algorithmen, so beschreibt es die Intendantin, sei stets, dass der Konsument so viel Zeit wie möglich auf der Plattform verbringt.

Eine aufgeheizte Stimmung sei die Konsequenz sowie auch die Bildung von „Echo-Kammern“, in denen sich ausschließlich Gleichgesinnte zusammenschließen. „Alle sind in unterschiedlichen Wirklichkeiten“, schließt sie und warnt, dass eine stabile Demokratie vom Diskurs zwischen mehreren Perspektiven lebt. Die „Schweigespirale“, nennt Hanitzsch dieses Phänomen, bei dem die gefühlte Mehrheitsmeinung zunehmend lauter wird und Minderheitsmeinungen Debatten verlassen.

Der BR betreibt umfassende Jugendförderung und arbeitet mit Volkshochschulen zusammen

Diese Algorithmen, erklärt der Wissenschaftler, würden einerseits auf der Seite der Produzenten gesteuert, andererseits jedoch durch das Publikum, dem Inhalte eher ausgespielt werden, wenn sie ihnen gefallen. „Klassische Medien verlieren die Fähigkeiten, uns zu prägen“, sagt er und stellt fest, dass die Medienfreiheit so groß wie nie zuvor sei, zumal das Ausweichen auf alternative Medienangebote stets möglich sei.

Eine Umfrage mit Medienskeptikern in Deutschland habe beispielsweise gezeigt, wie verbreitet die Annahme sei, der Öffentliche Rundfunk (ÖR) sei staatlich kontrolliert. Es sei eben nicht so, dass der Ministerpräsident jeden Morgen bei ihr anrufe, sagt Wildermuth. Sie wirft das Stichwort Medienkompetenz ein und beschreibt die umfassende Jugendförderung sowie auch die Zusammenarbeit mit Volkshochschulen, die der BR betreibe, um Jung und Alt an die Arbeit im ÖR heranzuführen.

Katja Wildermuth ist Intendantin beim Bayerischer Rundfunk. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Ministerpräsident habe vergangenen Herbst bereits „mehr Zurückhaltung in eigener Sache“ vom ÖR verlangt, zitiert ihr Gesprächspartner Hanitzsch und fragt, ob der BR tatsächlich überfinanziert sei. Nein, sagt dessen Intendantin entschieden und beruft sich darauf, dass der Rundfunkbeitrag von 2009 bis heute um lediglich 38 Cent auf 18,36 Euro gestiegen sei. Auch im Vergleich mit anderen Ländern liege der deutsche Rundfunkbeitrag im oberen Mittelfeld, fügt Hanitzsch hinzu. Eine übermäßige Finanzierung lasse sich daraus nicht ableiten.

Wie beim BR eigentlich festgemacht wird, welche Berichterstattung als ausgewogen gilt? „Die Wissenschaft“ ist Wildermuths erste Antwort, der sie für ihre Studien sehr dankbar sei. Wichtig sei ihr außerdem die Belegschaft, die im Falle des BR noch sehr homogen sei.

Dem stimmt der LMU-Professor zu und zeichnet das Bild des „urbanen, wohlhabenderen und schnell-sprechenden Journalisten“, das noch immer oft zutrifft. Der Job des Journalisten sei vor allem zu Beginn der Karriere so unwägbar, dass ein bürgerliches, akademisches Elternhaus oft als Voraussetzung für das Ergreifen des „Eliten-Berufs“ gilt. Die Anforderungen für ein Volontariat beim BR möchte Wildermuth deswegen möglichst niedrigschwellig gestalten. Fast wie auf einer Auslage beim Bäcker sollte der Tenor laut ihr heißen: „Du möchtest bei uns arbeiten? Wir nehmen jeden!“

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