Kindererziehung:Vertrauen und Mut

Kindererziehung: Kinder sollten bei den täglichen Entscheidungen einbezogen werden, sagt Staatssekretärin Carolina Trautner.

Kinder sollten bei den täglichen Entscheidungen einbezogen werden, sagt Staatssekretärin Carolina Trautner.

(Foto: Christian Endt)

Bei der Markt Schwabener Sonntagsbegegnung beschreiben die Politikerin Carolina Trautner und der Verleger Manuel Herder ihre Ideen zum Thema Erziehung.

Von Viktoria Niggemann, Markt Schwaben

"Wir fangen mal da an, wo es wehtut", beginnt Verleger Manuel Herder den Austausch mit der bayerischen CSU-Politikerin Carolina Trautner bei der "Sonntagsbegegnung" zum Thema "Handeln für Kinder und Zukunft" in Markt Schwaben. Er bezieht sich auf das Selbstbestimmungsgesetz für Transsexuelle, welches die neue Bundesregierung plant. Kinder ab 14 Jahren sollen demnach künftig, auch ohne die Zustimmung ihrer Eltern, über eine Geschlechtsangleichung oder Hormontherapie entscheiden dürfen. Wer trägt die Verantwortung für die Kinder, fragt er - hier, aber auch allgemein: der Staat? Oder tragen sie die Eltern? Und wo liegen jeweils die Grenzen?

Es sei schon bedauerlich, dass ein solches Gesetz überhaupt zur Debatte stehe, denn wenn 14-Jährige ohne die Zustimmung ihrer Eltern einen solch gewichtigen Schritt in Erwägung zögen, sei bereits etwas im Vertrauen zu den Eltern schiefgelaufen, entgegnet Trautner. Sie appelliert an die Verantwortung der Eltern und plädiert dafür, Kindern Rechte zuzugestehen - aber nicht nur, was dieses Thema angeht.

"Für unser höchstes Gut, unsere Kinder, müssen wir uns engagieren", appelliert Trautner an die etwa 50 Gäste bei der von Altbürgermeister Bernhard Winter organisierten "Sonntagsbegegnung" im Unterbräusaal. Ihr eigenes Engagement ist offensichtlich - nicht nur ihre mitreißende Art im Zwiegespräch mit Herder, sondern auch ihre berufliche Laufbahn lassen auf ihren Einsatz schließen: Bis Anfang des Jahres war die zweifache Mutter bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, ist heute Staatssekretärin im bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Für ihre eigenen Kinder setzte sie sich unmittelbar als Elternsprecherin ein. Sie betont, welche Verantwortung Staat und Eltern in Bezug auf die Bildung von Kindern haben und warum Mut so wichtig ist.

Erwachsene sollten mit den Kindern, nicht über sie entscheiden, sagt Trautner

Zur Verantwortungsfrage für Kinder hat Trautner eine klare Haltung: Es gebe keinen alleinigen Verantwortlichen, sagt sie, "das Stichwort ist Erziehungs-Partnerschaft". Eltern hätten eine Verpflichtung, der Staat ebenfalls. Der dritte, leider oft vergessene Partner sei jedoch das Kind selbst, womit sie bei ihrem "Leib- und Magenthema" ist, wie sie es selbst beschreibt. Erfahrungsgemäß wüssten Kinder genau, was sie wollten. Deshalb plädiert sie für deren Einbezug in täglichen Entscheidungen, auch was etwa die körperliche Selbstbestimmung angehe. Wenn Erwachsene die Kinder ernst nähmen, seien sie umgekehrt auch offener für Argumente und so entstehe ein Miteinander - statt einem Über-den-Kopf-hinweg-Entscheiden. Da, sagt sie, "ist noch Luft nach oben".

Kindererziehung: Verleger Manuel Herder vermisst in manchen Schulen den Wettbewerbsgedanken.

Verleger Manuel Herder vermisst in manchen Schulen den Wettbewerbsgedanken.

(Foto: Christian Endt)

Was sie von reformpädagogischen Schulen verglichen mit Regelschulen halte, fragt Herder, der selbst vier Kinder hat. Trautner möchte Eltern Sorgen nehmen - Waldorfschulen etwa sage man nach, sie würden Kinder nicht ausreichend auf unsere Leistungsgesellschaft vorbereiten. Dabei sei gerade die Zuwendung zu Stärken und Talenten an diesen Schulen erfolgversprechend: "Wir müssen die Unterschiede unserer Kinder fördern", sagt sie, denn die Gesellschaft profitiere davon. Auch bei den Regelschulen beobachte sie dahingehend einen Wandel. Eine pauschale Empfehlung könne sie nicht geben, so wie auch im Vergleich zwischen staatlichen und privaten Schulen.

Herder fehlt, wie er sagte, bei den staatlichen Schulen teilweise der Wettbewerbsgedanke, der bei den privaten zu schnelleren Entwicklungen zugunsten der Kinder führe. "Wettbewerb belebt", stimmt Trautner zu, "aber ich möchte eine Lanze für das bayerische Schulsystem brechen": Sie sehe eine Bewegung zur individuellen Förderung von Schülern und habe erlebt, dass auch Kinder einer Mittelschule Medizin studieren können. Es sei ohne Zweifel kein schneller Prozess, aber es bewege sich viel. Kinder, die vermeintlich "nicht ins System passen", würden auch an staatlichen Schulen integriert und individuell betreut. Dafür brauche es bisweilen aber den Mut der Erwachsenen, auszuprobieren und sich über Grenzen hinwegzusetzen. "Jedes Kind kann seinen Weg einschlagen", sagt sie, "das macht unglaublich Laune."

Die Staatssekretärin wirbt dafür, Medienkompetenz schon im Kindergarten zu vermitteln

In der abschließenden Diskussionsrunde kommt die Frage nach der Klassengröße in Schulen auf. Würden kleinere Klassen nicht die angestrebte individuellere Betreuung der Kinder in der Schule begünstigen, fragt ein Zuhörer. Grundsätzlich wäre das schön, jedoch kein pauschales Rezept für mehr individuelle Zuwendung, sagt Trautner. Es komme auch auf die Gruppenzusammensetzung und -dynamik in Klassen an. Zudem sei es eine Ressourcen-Frage - Lehrpersonal sei knapp und hier sei die Gesellschaft gefragt: mit angemessener Wertschätzung.

Carolina Trautner wirbt abschließend für eine kindgerechte Vermittlung von Informationskompetenzen, die bei Eltern oft auf Ablehnung stoße. Bereits in Kindergärten sollte Medienkompetenz auf niedrigem Level erlernt werden, wie etwa einen Baum in den vier Jahreszeiten zu fotografieren. Die Kompetenzen der Kinder sollten auf die heutigen Anforderungen angepasst werden. "Ungeduld passt zu Ihnen", scherzt Herder - Trautner stimmt zu und lacht.

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