Markt Schwaben/München:Gerichtsgutachter sollen Pizzeria-Fehlalarme aufklären

MS Pizzeria wg. Brandmelder

Sind die Brandmelder falsch eingestellt? Oder ist die Abzugshaube zu klein?

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

120 Mal ist Markt Schwabens Feuerwehr ins La Piazza ausgerückt - immer umsonst, aber nie gratis. Jetzt ist der Fall vor dem Münchner Landgericht.

Von Korbinian Eisenberger, Markt Schwaben/München

In der Pizzeria La Piazza steht immer eine brennende Kerze vor einem auf dem Tisch. Solange die Kerze brennt, muss man sich keine Sorgen machen. Wenn sie jedoch jemand ausbläst, dann ist hier schnell mal ein großes Bohei. Manchmal kommt es vor, dass allein der Rauch einer erloschenen Kerze ausreicht, um einen der sechs Rauchmelder zu aktivieren. Im Lokal ertönt dann eine Sirene, die Feuerwehr bekommt eine Meldung und rückt aus. Im "La Piazza" geht ein Lichtlein aus, und in Markt Schwaben ist wieder mal der Teufel los.

120 Mal ist die Feuerwehr seit 2007 in die Pizzeria im Unterbräu-Gebäude ausgerückt, stets umsonst, aber nie kostenlos. Die Betreiber und die Vermieter streiten sich seit Jahren darüber, wer an dem Dilemma die Schuld trägt. Eine Lösung gab es in dieser Posse bisher keine, doch genau die ist nun in Sicht: Zwei neutrale Gutachter sollen nun überprüfen, ob die Feuermelder in der Gastwirtschaft richtig eingestellt sind - und ob die Lüftungsanlagen der Pizzeria adäquat sind. Damit wäre den Beteiligten möglicherweise bei ihrem Problem geholfen.

Um zu diesem Schluss zu kommen, brauchte es am Dienstag einen Termin vor dem Münchner Landgericht. Anlass ist die Klage der Mieterin des Lokals. Sie wirft der Vermieter-Firma vor, dass beim Brandschutz gepfuscht wurde. Die Firma müsse "Erdgeschoss und Untergeschoss in einen fachgerechten Zustand versetzen, sodass es zu keinen Fehlalarmen mehr kommt".

Die Vermieterfirma sieht das Problem hingegen woanders. Deren Anwältin erläuterte ihre Theorie, wonach die Abzugshauben über dem Pizzaofen dem Rauch nicht gewachsen seien, den ein Pizzabäcker bei seiner Arbeit naturgemäß verursacht. "Es bräuchte deswegen einen Abzug, der über den ganzen Raum geht", sagte ein Firmenmitarbeiter. Die Kosten dafür müsste dann wohl die Pizzeria tragen, so die Richterin, weil die Haube rechtlich gesehen eher als Teil der Küche und nicht als Teil des Brandschutzes zählt.

So banal das alles klingen mag, geht es hier durchaus um eine ernsthafte Angelegenheit. Denn immer wenn im La Piazza die Sirene geht, kommt die Feuerwehr und evakuiert das Lokal. Erkaltete Speisen, verärgerte Gäste, Mitarbeiter, die um ihre Zukunft bangen - all das gehört im La Piazza seit Jahren dazu. Und so kommen wichtige Leute in den Zeugenstand: Helmut Hintereder, Leiter der Poinger Polizeiinspektion wartete eineinhalb Stunden auf seinen Einsatz auf dem Zeugenstuhl, ehe er in drei Minuten zu Protokoll gibt, dass er vergangenes Jahr 18 Mal alarmiert wurde.

Markt Schwabens Feuerwehrkommandant Christian Hankofer berichtete von jährlich bis zu 20 Einsätzen. Die Mieterin Angela Dachs hat in sechs Jahren knapp 80 solcher Einsätze nach Fehlalarmen dokumentiert. Dennoch haben Dachs und ihre Kollegen von der Pizzeria den Mietvertrag erst kürzlich verlängert, eine Tatsache, die Richterin Theresia Webert-Giershausen erstaunen ließ. Trotz der knapp 300 Euro, die jeder Feuerwehr-Einsatz kostet, sei das Lokal "nach wie vor wirtschaftlich", so Dachs. Es soll also weitergehen, auch mit Fehlalarmen, im Idealfall aber ohne. Die beiden Gutachter könnten hierfür nun entscheidend sein - wenn sie denn zu einem Ergebnis kommen.

Einer der Gutachter soll dafür die Brandschutzanlagen überprüfen, also ob die sechs Rauchmelder richtig eingestellt und korrekt platziert sind. Helmut Neumayer, der Chef der Vermieterfirma, erklärte, dass er sich hier nichts vorwerfen könne, schließlich habe man das Brandschutzkonzept vor zehn Jahren gemeinsam mit der Gemeinde "nach allen fachlichen und rechtlichen Standards entwickelt" (der Gemeinde gehören zum Beispiel der Unterbräusaal und die Vereinräume). Sollte sich aber herausstellen, dass damals gepfuscht wurde, trotz Gutachter, Ingenieur und TÜV? "Dann verklage ich das Landratsamt Ebersberg oder den Freistaat Bayern", sagte Neumayer.

Oder es liegt eher an der Dunsthaube, auch dafür wird ein eigener Gutachter bestellt. Dass hier der Hund zumindest teilweise begraben liegen könnte, wollten beide Prozessparteien nicht ausschließen. Schließlich, so berichtete Feuerwehrler Christoph Hankofer, sei der Großteil der Einsätze nicht auf Kerzen-Rauch oder Mehlstaub zurückzuführen. "Der Pizzaofen war am öftesten der Auslöser", so Hankofer.

Es wäre also durchaus möglich, dass beide ein bisschen recht haben, die Pizzeria und die Vermieter-Firma. Wann die Gutachten fertig sein sollen, darüber war am Dienstag nichts Genaueres zu erfahren. "Seien Sie höflich und friedlich", mahnte die Richterin nur noch, ehe im Gerichtssaal in München das Licht ausgeht.

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