Religion:Beten mit Abstand

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Mit Maske in der Moschee: Halil Demir, Atif Bilgili und Tayfur Özbasaran (von links) im prächtig verzierten Hauptgebetsraum. (Foto: Florian Kappelsberger/oh)

Wegen der Corona-Pandemie ist die Moschee in Markt Schwaben wochenlang geschlossen. Die islamische Gemeinde bleibt digital verbunden und genießt jetzt die Öffnung unter Auflagen

Von Florian Kappelsberger, Markt Schwaben

Es ist ein sonniger Nachmittag. Auf der Terrasse neben der Ditib Ulu Camii Moschee in der Bahnhofstraße wird türkischer Tee serviert, dazu Bulgur, Börek und weitere landestypische Spezialitäten. "Die müssen Sie probieren!", empfiehlt Tayfur Özbasaran, Vorstandsmitglied der örtlichen islamischen Gemeinde, und reicht den Teller mit Baklava. Zusammen mit Atif Bilgili, dem Imam der Gemeinde, und dem Vorsitzenden Halil Demir berichtet er über die Herausforderungen der vergangenen Monate, wobei er teilweise für die beiden übersetzt.

Bereits Anfang März habe die Glaubensgemeinde sich in Rücksprache mit dem Landratsamt dazu entschlossen, das Freitagsgebet abzusagen. Durch die folgenden Auflagen waren Versammlungen und Gottesdienste dann bis auf weiteres verboten, weshalb die Moschee für mehrere Wochen geschlossen wurde. In dieser Zeit seien die Predigten per Internet übertragen worden, um das religiöse Leben der Gemeinde aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig habe man die Gelegenheit genutzt und das Gebäude während der Schließung modernisiert.

Mittlerweile ist die Moschee wieder geöffnet, allerdings unter strengen Auflagen. So muss jeder Gläubige aus Hygienegründen eine Schutzmaske tragen und einen eigenen Gebetsteppich mitbringen. An der Eingangstür hängt eine Namensliste aus, in die sich die Besucher eintragen, und nach dem Eintritt werden die Hände desinfiziert. Im Erdgeschoss gibt es zudem einen Waschraum, denn im Islam ist es Teil der religiösen Tradition, vor jedem Gebet die Hände und das Gesicht zu reinigen. Dies sei schon immer so, erklärt Imam Atif Bilgili, aber in der gegenwärtigen Situation tragen diese Reinheitsgebote auch dazu bei, das Infektionsrisiko weiter zu senken.

Der Gottesdienst findet im prächtig verzierten Hauptgebetsraum statt; von dort aus kann die Predigt in den Frauengebetsraum im Obergeschoss sowie in den zusätzlichen Gebetsraum im Keller übertragen werden. Eine weitere Neuerung seit der Wiedereröffnung: Um den Mindestabstand von 1,50 Metern sicherzustellen, sind auf dem Boden überall weiße Markierungen angebracht. Deshalb können in diesen Räumen im Moment nur jeweils etwa 30 Personen empfangen werden. Mithilfe des neuen Audiosystems ist es jetzt aber auch möglich, die Predigt auf die Terrasse zu übertragen, was vor dem Umbau nicht der Fall war. "Da haben wir auch den Bedarf nicht gehabt", so Vorstandsmitglied Tayfur Özbasaran. Aufgrund dieser Neuerungen können unter Einhaltung der Abstandsregeln insgesamt rund 160 Gläubige am Gebet teilnehmen.

Der Lernraum im ersten Stock der Moschee muss dagegen weiterhin geschlossen bleiben. Normalerweise bietet der Imam hier Religionsunterricht für acht Klassen an, die insgesamt 144 Schülerinnen und Schüler aus allen Altersgruppen umfassen. Seit Mitte März finden die Kurse allerdings online statt. Dies klappe zwar ganz gut, aber Atif Bilgili bedauert, dass der direkte Kontakt dabei verloren gehe.

Wie viele Mitglieder der christlichen Kirchen im Landkreis stehen auch die Gläubigen der islamischen Gemeinde vor einer völlig neuen Situation, da das Gemeinschaftsleben durch die Auflagen stark eingeschränkt ist. Dies sei besonders während des Fastenmonats Ramadan spürbar gewesen, sagt Vorstandsmitglied Tayfur Özbasaran. In den vergangenen Jahren habe man jeden Tag gemeinsam gebetet und das Fasten gebrochen. "Dieses Jahr mussten wir das alles streichen", bedauert er.

Die islamische Gemeinde Markt Schwabens wurde im Jahr 1996 gegründet und finanziert sich ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Da die Moschee in der Bahnhofsstraße die einzige in der Umgebung ist, kämen zudem viele Gläubige aus anderen Gemeinden wie Poing, Forstinning oder Hohenlinden, erklärt Atif Bilgili. Seit fünf Jahren lebt er mit seiner Frau Rukiye hier und dient als Imam der Gemeinde. Um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, nehmen die beiden jede Woche gemeinsam Deutschunterricht. Thema heute: Subjekt - Prädikat - Objekt.

Bilgili sieht sich nicht nur als Prediger und religiöser Lehrer, sondern auch als Seelsorger für die Gemeinde. So bietet er den Mitgliedern Hilfe bei privaten oder familiären Problemen an und tritt oft als Vermittler auf. Die größte Aufgabe sehen er und seine Mitstreiter darin, das Familienleben zu bewahren und die Jugendlichen von der Straße fernzuhalten. So sei die Moschee ein Zentrum der Solidarität und der gegenseitigen Unterstützung.

Auch über die Integration vor Ort sind die Leiter der islamischen Gemeinde glücklich, und die Bewohner Markt Schwabens zeigen sich ihrer Erfahrung nach sehr aufgeschlossen. Seit fünf Jahren wird zusammen mit dem Türkischen Förderverein und zahlreichen örtlichen Organisationen ein Straßenfest vor der Moschee veranstaltet, um das interkulturelle Kennenlernen zu feiern. In den vergangenen Jahren war der Andrang groß, so Imam Atif Bilgili, es seien rund 1000 Gäste gekommen. In diesem Jahr hatte das Fest wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden müssen.

Trotz der Widrigkeiten der vergangenen Monate blickt die islamische Gemeinde Markt Schwabens optimistisch in die Zukunft. Nach der Modernisierung des Gebäudes bieten sich neue Möglichkeiten, man sei bereits im Austausch mit dem Bürgermeister, um gemeinsame Initiativen vorzubereiten. So sei beispielsweise geplant, im Moschee-Gebäude kostenlose Nachhilfestunden anzubieten und einen Jugendtreff einzurichten - für alle, unabhängig von der Religion. Ziel sei es, sich mehr mit den Gemeinden, Schulen und christlichen Kirchen auszutauschen und intensiver zusammenzuarbeiten.

© SZ vom 07.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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