Nachdem bekannt geworden ist, dass Bewohner des Markt Schwabener Seniorenwohnheimes der Arbeiterwohlfahrt (Awo) entwürdigend behandelt und sogar misshandelt wurden, prüft der Awo-Bezirksverband, der die Einrichtung betreibt, nun auch strafrechtliche Konsequenzen. Das hat der Geschäftsführer für Oberbayern, Wolfgang Schindele, auf einer Pressekonferenz am Montagmorgen in Markt Schwaben angekündigt.

Gleichwohl verwahrte sich Schindele gegen einen Generalverdacht gegenüber den rund 80 Mitarbeitern in dem Heim an der Trappentreustraße. "Wir bemühen uns, in all unseren Einrichtungen im Rahmen der Gegebenheiten gute Pflege zu leisten", sagte er. Das gelte auch für die Markt Schwabener Einrichtung. Umso mehr bedauere er, dass es Verfehlungen einzelner Mitarbeiter gegeben habe, die nun auf alle anderen zurückfielen. "Dagegen müssen wir uns wehren."
Schindele bestätigte die Vorwürfe, die eine Mitarbeiterin im Oktober anonym gegenüber dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) erhoben hatte, in Teilen. Manches sei der Awo unmittelbar bekannt gewesen und man habe umgehend personelle Konsequenzen gezogen. So sei einer Auszubildenden, die eine Frau in Gegenwart eines männlichen Besuchers ihrer Mitbewohnerin vollständig entkleidet hatte, gekündigt worden. "Das ist nicht hinnehmbar und wird nicht akzeptiert", sagte der Awo-Geschäftsführer. Einer anderen Pflegerin, die einen Bewohner auf dem Toilettenstuhl gefüttert hatte, sei eine arbeitsrechtliche Rüge erteilt worden.
Andere Vorwürfe seien Schindele zufolge jedoch verzerrt wiedergegeben worden. So etwa der Fall einer Bewohnerin, die angeblich während der Morgentoilette in ihrem Bad eingeschlossen wurde und deshalb einen schweren Asthmaanfall erlitten habe. An den Folgen sei sie Tage später in einem Krankenhaus verstorben. Dieser Vorfall habe sich bereits am 28. März diesen Jahres ereignet.
Die Pflegerin habe die Frau aber nicht eingesperrt, sondern alleine im Bad zurückgelassen, weil sie auf die Glocke einer anderen Bewohnerin reagieren musste. "Der Vorwurf zeigt das Dilemma auf, in dem sich die Pflege befindet", sagte Schindele. Mitarbeiter müssten situationsbezogen reagieren und im Zweifel schnell entscheiden.
Zu wenig Personal
Den Vorfall habe Hausleiter Rüdiger Schäfer noch am gleichen Tag mit der Pflegerin, der Bewohnerin und deren Angehörigen besprochen. Die Bewohnerin sei im übrigen nicht infolge des Asthmaanfalls in die Klinik eingeliefert worden, sondern erst am 12. April, wo sie wenige Tage später verstorben sei. Ihr Tod stehe in keinem Zusammenhang mit den Vorwürfen, bekräftigte Schindele. "Auf Missstände deutet das nicht hin."
Andere von der ehemaligen Pflegerin gegenüber dem MDK geäußerte Vorwürfe seien jedoch nur schwer nachprüfbar. Wie etwa das Öffnen von Windeln vor aller Augen in den Gängen. Noch seien aber nicht alle Gespräche mit Mitarbeitern geführt worden.
Markt Schwabens Bürgermeister Bernhard Winter, der der Pressekonferenz ebenfalls beiwohnte, verteidigte das Seniorenheim. Allein im vergangenen Jahr sei er mehr als 20 Mal zu Besuch gewesen. Sein Eindruck sei ein positiver, so wie er das von vielen Angehörigen und Bewohnern gehört habe. "Und ich habe ein waches Auge", bekräftigte der Rathauschef, der früher als Psychologe in der Jugendfürsorge gearbeitet hat.
Winter drängte jedoch beim Bezirksgeschäftsführer und bei der Hausleitung darauf, den Bericht des MDK, der nach Bekanntwerden der Vorwürfe am 22. Oktober eine unangemeldete Prüfung der Einrichtung vorgenommen hatte, zu veröffentlichen und "mit Konsequenzen in aller Härte" gegen Mitarbeiter vorzugehen, die sich etwas zuschulden haben kommen lassen.
Schindele räumte darüber hinaus den Personalmangel in der Pflege ein. Dass es trotzdem gut laufe, sei Mitarbeitern zu verdanken, die sich weit über die Maßen engagierten.