Markt Schwaben:"Ich war nie der Pausenclown oder gar der Anführer"

Markt Schwaben: Das alte Feuerwehrhaus im Keller des Rathauses war früher so etwas "wie meine zweite Heimat", sagt Michael Stolze beim Treffen in Markt Schwaben. Unter der Treppe stand damals die Holztischgarnitur. Mittlerweile hat der 50-Jährige im oberen Teil des Gebäudes sein Büro.

Das alte Feuerwehrhaus im Keller des Rathauses war früher so etwas "wie meine zweite Heimat", sagt Michael Stolze beim Treffen in Markt Schwaben. Unter der Treppe stand damals die Holztischgarnitur. Mittlerweile hat der 50-Jährige im oberen Teil des Gebäudes sein Büro.

(Foto: Christian Endt)

Der frühere Feuerwehrkommandant Michael Stolze ist nun Bürgermeister. Damals wie heute bevorzugt der Chef am Konferenztisch das Prinzip der Platz-Rotation - aus gutem Grund.

Von Korbinian Eisenberger, Markt Schwaben

Stein ist härter als Holz. Trotzdem nimmt der Bürgermeister auf dem harten Steinboden vor dem alten Feuerwehrhaus Platz. Aus nostalgischen Gründen sitzt er da, fast so wie früher, nur dass er damals mit Kameraden der Markt Schwabener Feuerwehr an einer schweren Holztischgarnitur hockte. Es brauchte nichts weiter als eine Brotzeit und ein Flascherl Bier, "oder auch zwei", sagt er. Michael Stolze war damals Markt Schwabens Feuerwehrkommandant. Sein Vorgänger, erzählt er, der hatte einen eigenen Stuhl und saß anders als der Rest an der Stirnseite. Stolze verzichtete auf einen Chefstuhl. "Auf der Bank wurde gerutscht und gerutscht und gerutscht", sagt er. Ein bisschen wie bei der Reise nach Jerusalem, nur anders rum. "Es ging darum, dass möglichst jeder einen Platz hat."

Michael Stolze war schon einmal Chef in Markt Schwaben. Zwischen 1998 und 2003 führte er die Freiwillige Feuerwehr im Ort knapp sechs Jahre als Kommandant. Seit 120 Tagen währt nun seine zweite Legislaturperiode in Leitungsposition, als parteifreier Bürgermeister. Langjährige Bewohner der Gemeinde dürften den 50-Jährigen gut kennen, der früher vor dem Gong in der Schulstraße mit seinen Spezln strawanzte und die wichtigen Orts- und Weltthemen diskutierte. Dann hat Stolze seinen Wohnsitz und die Kommandantenstelle in Markt Schwaben aufgegeben. Seit 17 Jahren lebt er im Nachbarlandkreis Erding - weswegen ihn die jüngere Generation im Ort wohl weniger gut kennen dürfte.

Ein Augusttag in Markt Schwaben, wo Stolze in seinem Rathausbüro empfängt. Sein aufgeräumter Schreibtisch könnte in einem Werbekatalog abgebildet sein, und Michael Stolze im weißen Hemd und akkurat getrimmten Dreitagebart gleich dazu. Der Bürgermeister bittet an den Konferenztisch. Freie Platzwahl, sagt Stolze, er selbst wechsle am Konferenztisch je nach Situation immer wieder die Position. So wie damals als Kommandant.

Im neu zusammengesetzten Gemeinderat sagt ihm so mancher nach, dass der Bürgermeister viel Wert auf Harmonie lege, womöglich gar übertrieben viel, so der Argwohn. Dass er womöglich zu häufig auf den kommunalpolitischen Stühlen die Position wechselt, statt auf einem Standpunkt zu ver- und beharren.

Hinaus aus dem Rathaus, dorthin, wo er sich in jungen Jahren täglich um halb acht vor der Schule traf. Schon damals ging es in Markt Schwaben um die ganz großen kommunalen Themen: Wer ist aktuell das fescheste Mädel im Ort? Und wer hat die besten Chancen? Stolze erzählt, dass er solche Fragen in der Gruppe erörterte. "Ich war bestimmt nie der Pausenclown oder gar der Anführer", sagt er. "Eher der Schlichter."

Welchen Stil geht er nun, da er als Bürgermeister vielleicht nicht Anführer ist, aber immerhin Verwaltungschef im Rathaus und höchster politischer Amtsträger im Ort. Stolze sagt: "Ich mag weder Verwaltungsmensch noch Politiker werden."

Wo also geht die Reise hin, zwischen den Konferenztischen, Sitzungssälen und Vereinsfesten dieser Gemeinde? Stolze bleibt neben einer Gruppe Jugendlicher stehen, die sich unweit des Rathauses deutlich hörbar verständigen. Man könnte sagen, sie haben eine Gaudi. Oder aber, dass die Buben recht laut sind. "Ich bekomme fast täglich Anrufe, in denen sich Leute wegen Kinderstimmen gestört fühlen", sagt er. Denen sage er dann: "Wart's ihr auch mal jung? Irgendwo müssen sie doch hin."

Aus seiner Sicht ist die Sache mit dem Rotationsprinzip am Konferenztisch ganz anders zu interpretieren, sagt er. Nicht dass er sich leicht verrutschen oder gar verbiegen lasse, wie ein verrostetes Martinshorn. Es sei vielmehr so: "Ich bin überhaupt kein Gewohnheitstier." Das helfe, um sich auf neue Situation einzulassen, sagt er. "Das heißt aber nicht, dass ich meinen Standpunkt nicht verteidigen kann."

Wo er als Schüler vor Unterrichtsbeginn stand, stehen heute Absperrungen und Rohre für die Kanäle zur neuen Schule, dem größten, teuersten und vielleicht gar umstrittensten Projekt, das es in Markt Schwaben je gegeben hat. Knapp 70 Millionen Euro soll das Ganze am Ende kosten, und das in einer Gemeinde, die finanziell so angeschlagen ist wie praktisch keine andere im Bezirk Oberbayern. "Stolze, du musst das Projekt stoppen", diese Forderung hat er in seiner Anfangszeit nicht selten vernommen. Auch hier sagt er, sei er deutlich. "Markt Schwaben braucht diese Schule", sagt er. Deswegen werde er das Projekt nicht stoppen, sondern steuern. "Stringentes Projekt-Controlling" - damit das Ganze nicht noch teurer wird.

Da war er, der CEO, der Chief-Sales-Officer. Stolze hat Jahrzehnte an Erfahrungen in der freien Wirtschaft, er war in Singapur, Washington und Dubai unterwegs. Er kennt die größeren Märkte dieser Welt, und bekommt es nun mit einem verhältnismäßig kleinen Markt zu tun. Mit Markt Schwaben und seinen knapp 14 000 Bürgern. Viele Jahre war Stolze wochenweise auf Geschäftsreise unterwegs, nun hat er von seiner Frau Sabine und den Kindern in Buch am Buchrain zehn Kilometer Anfahrt bis ins Büro. Seine beiden Kinder, sagt er, die können ihn nun in der Arbeit besuchen kommen. "Für meine Familie ist das eine traumhafte Veränderung."

Zurück auf dem harten Stein, der einzigen Sitzgelegenheit, da dieses Feuerwehrhaus mit dem Bau der neuen Anlage am Erlberg seit Jahren ungenutzt - und der schwere Tisch samt Bänken verschwunden ist. Rathaus-Mitarbeiter kommen aus dem Hinterausgang, der am alten Spritzenhaus vorbei führt, die meisten grüßen ihn mit Vornamen. So manche Mama mit Kinderwagen geht aber auch grußlos an ihm vorbei, er war ja auch 17 Jahre fort. Stolze erzählt, dass er in dieser Zeit "Geschäftsbereiche liquidiert" habe - "andere hingegen habe er wiederum saniert".

Sein Vorgänger Georg Hohmann (SPD), der die Altersgrenze erreicht hat, wurde krank im Amt. Hohmann ging offen damit um, räumte Fehler ein: Zu viele 15-Stundentage, zu viele Einsätze am Wochenende. Kein Event auslassen, möglichst alle zufrieden stellen. Stolze lobt das Vereinsleben im Ort, er sagt aber auch, dass man ihn, den Familienvater, "nicht auf jedem Vereinsfestl" finden wird, nun da er Bürgermeister ist. Gemeinderat Bernd Romir (Freie Wähler), auf dessen Liste Stolze neben der SPD mitkandidierte, sagt über ihn: "Sein Markenzeichen: Er kann zuhören!" Stolze, der kein Politiker werden will, sagt über sich selbst: "Ein Politiker will jedem gefallen. Des konn i ned und mog i ned."

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