Süddeutsche Zeitung

Kunstpfad in Markt Schwaben:Neue Ansichten

Der Kunstpfad in Markt Schwaben lädt zum großen, interaktiven Aktionstag. Das zeigt, was alles möglich ist, wenn die Kreativen eines Ortes sich vernetzen.

Von Anja Blum, Markt Schwaben

Wer in Markt Schwaben dieser Tage ein Medikament braucht, sich Turnschuhe besorgen will oder eine neue Brille, der könnte vor dem Schaufenster so manche Überraschung erleben. Er könnte neue Ansichten gewinnen - seines Heimatortes und des Schaffens regionaler Kreativer. Denn es ist wieder "Kunstpfad". Eine Ausstellung, die sich mehr als jede andere verbindet mit der Architektur ihrer Umgebung. In der die Exponate kaum betrachtet werden können, ohne die Geschäfte und ihre Gebäude ebenfalls wahrzunehmen. Und in der vor allem haufenweise Spiegelungen eine weitere, spannende Dimension bieten. Gerade Markt Schwaben mit seinen vielen historischen Fassaden eignet sich dafür bestens.

Geboren hatte die Idee des Kunstpfads die Künstlerin Anja Birnkraut 2021, um den Ort trotz des Lockdowns weiter möglichst lebenswert zu gestalten. Die zeitlose Idee dahinter war und ist: Markt Schwaben bunter zu machen. Die Exponate allen Interessierten kostenfrei sowie jederzeit zugänglich zu machen. Künstlerinnen und Künstler zusammenzubringen, eine Plattform für Kreativität zu bieten, zu inspirieren, zu animieren, Leidenschaften zu wecken. Deswegen gibt es nun - auch auf Wunsch der Gemeinde, wie Birnkraut sagt, - eine Wiederholung, obwohl die Corona-Beschränkungen längst aufgehoben sind.

In den Schaufenstern der Gemeinde gibt es nun also wieder viel mehr zu entdecken als die üblichen Waren und Plakate: Häufig die klassischen Genres Malerei und Fotografie, aber auch andere Gattungen wie Stringart, Gobelinstickerei, Quilts oder Makramee sind zu bestaunen. Es gibt Abstraktes wie Gegenständliches, Kitsch neben Poesie und Humor. Auch der Trend des Upcycling hat Eingang gefunden in den Kunstpfad: Waltraud Roming-Wörrlein zum Beispiel verschafft ausgedientem Porzellan ein neues Leben, aus herrlich altmodischen Teekannen hat sie gar einen fast mannshohen Turm gebaut. Michael Kramers Spezialität sind hingegen "Bottle Lamps": dekorative Leuchten aus alten, schönen Flaschen.

Rund 30 Stationen sind es diesmal auf dem kurzweiligen Pfad quer durch Markt Schwaben, insgesamt messe die Strecke 4,5 Kilometer, sagt Birnkraut. Zu sehen gibt es Werke von etwa 40 einzelnen Künstlern und drei Gruppen, die meisten Beteiligten stammen aus dem Landkreis Ebersberg oder dem Münchner Raum, aber es sind auch Gäste aus Bad Tölz, Passau oder Regensburg dabei. Wer sich näher über die Ausstellenden informieren will, findet auf der Gemeindewebsite entsprechende Steckbriefe, von Lily Alssen bis Günter Zozmann. "Unsere Aktion scheint sich rumzusprechen", sagt die Initiatorin und grinst.

Doch diese Freude sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Aktion wie dieser Kunstpfad jede Menge ehrenamtliche Arbeit bedeutet. Grundsätzlich steckt der vergleichsweise neue Aktivkreis Kunst und Kultur hinter dem Projekt, außerdem hat Birnkraut diesmal Verstärkung bekommen, Stefan Pillokat und Elena Rid gehören nun ebenfalls zum Orgateam, das monatelang auf den Kunstpfad hingearbeitet hat.

Neue Kontakte zu knüpfen - das ist es auch, was Birnkraut an dem Projekt so schätzt. "Ich lebe jetzt seit 13 Jahren in Markt Schwaben, habe bislang aber keinen einzigen Künstler gekannt", sagt sie. "Ich dachte, es gebe gar keine, denn die waren irgendwie alle versteckt." Bereits der erste Pfad jedoch habe die Kreativen aus ihren Kellern gelockt, und nun sei man in der Gemeinde bestens vernetzt, sagt die Initiatorin, der Aktivkreis treffe sich alle drei Monate. "Jetzt geht wirklich was!"

Überdies seien alle dankbar, sich zeigen zu dürfen, sagt Birnkraut. "Und das, obwohl so eine Schaufenster-Ausstellung manchmal durchaus mit Kompromissen einhergeht." Teils könne man sich weder den Standort seines Ladens, noch die Bedingungen dort aussuchen. "Dann muss man sich eben arrangieren, sei es mit der ausgelegten Ware oder den baulichen Gegebenheiten." Das Haus, in dem Fotograf Günther Keil seine musikalischen Impressionen zeigt zum Beispiel, ist denkmalgeschützt. Deswegen war an eine Befestigung an den Wänden nicht zu denken. Für den Chef des Camera Clubs Markt Schwaben jedoch kein Problem, er baute kurzerhand ein passendes Gestell.

Doch allein mit der Ausstellung wäre der Markt Schwabener Kunstpfad noch nicht komplett: Auch diesmal gibt es dazu wieder einen großen Aktionstag, und zwar am Samstag, 18. März, mit Stationen in der ganzen Gemeinde, mit Kunst in Aktion zum Staunen, aber auch zum Selbermitmachen. Bei der Trödlerei etwa gibt es eine "Poesie des Moments": Luisa Pointner schreibt - auf Zuruf dreier Stichwörter - individuelle Gedichte zum Mitnehmen. Ein idealer Ort ist der Secondhandladen freilich für das "Flower-Power-Upcycling" von Eva-Maria Kettner.

Auf dem Marktplatz lässt Hans Bauer eine "Kristall- und Eiswelt in Miniatur" entstehen und lädt Kinder ein, sich selbst in Seifenblasenkunst zu versuchen, während Elena Rid nebenan mit ihren Schülern Hiphop tanzt. Stefan Pillokat schnitzt vor den alten Feuerwehrgaragen wieder mit der Motorsäge, und Bürgermeister Michael Stolze lädt im Schlossgarten zum Boulespielen ein. Einen Besuch wert ist sicher auch der Poetry-Slam um 16 Uhr im Rathausfoyer, wo Anja Birnkraut außerdem Buttons verkauft: Anstecker mit dem Kunstpfad-Logo für die Jacke.

Und wer mag, kann zum "Kunstpfadfinder" werden: Zwei Figürchen, designed von Bruno Kukla, werden irgendwo platziert. Wer sie entdeckt und mit einem Selfie samt Figur zur Trödlerei kommt, kann an einer Verlosung teilnehmen. Sogar ein eigens kreiertes "Wegbier" von Luisbräu - klar, zu brauen ist auch eine Kunst - dürfen die Besucher heuer genießen. Zudem bieten die Schnitzelgaudi und das Schweiger-Brauhaus erstmals spezielle Kunstpfad-Schmankerl. "Ich denke, man könnte das Ganze fast ein Festival nennen", sagt Birnkraut und lacht. "Aber es muss ja immer noch Luft nach oben bleiben."

Kunstpfad in den Schaufenstern Markt Schwabens, großer Aktionstag am Samstag, 18. März, Finale am Sonntag, 16. April. Alle Infos sind zu finden auf der Homepage der Gemeinde.

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