Süddeutsche Zeitung

Markt Schwaben:Hähnchen-Biryani und Kaiserschmarrn

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Schülerinnen des Markt Schwabener Gymnasiums haben gemeinsam mit Flüchtlingen ein internationales Kochbuch erstellt. Beim Eine-Welt-Abend der Schule wird es erstmals präsentiert

Von Christina Seipel, Markt Schwaben

Neugierig blättert Raha Ahmad durch das dünne Buch in seinen Händen. Bei der letzten Seite huscht ein schüchternes Lächeln über sein Gesicht. "Sehr schön", sagt der Asylbewerber aus Pakistan in gebrochenem Englisch. Auf einem Bild ist der 34-Jährige gemeinsam mit anderen Flüchtlingen zu sehen, wie er Gemüse putzt. An die Zeit, in der Ahmad zusammen mit Schülerinnen des Franz-Marc-Gymnasiums Gerichte aus verschiedenen Ländern kochte, erinnert er sich gerne zurück. Besonders geschmeckt habe ihm der Kaiserschmarrn, wie er erzählt.

Das kleine "Internationale Kochbuch", das in gemeinsamer Arbeit entstanden ist, ist Teil des Projekts "Kulturen kochend kennenlernen". Nun haben es die fünf Schülerinnen, die daran beteiligt waren, auf dem Eine-Welt-Abend des Gymnasiums erstmals vorgestellt und verkauft. Seit Jahren schon setzt sich die von Schülern und Lehrern organisierte Eine-Welt-Gruppe für soziale Projekte und Integration ein. Unter dem Eindruck der aktuellen Ereignisse war der Abend in diesem Jahr dem Motto Flucht und Asyl gewidmet. Der Erlös aller Einnahmen geht an den Aktivkreis Flüchtlinge Markt Schwaben.

Fünf Gymnasiastinnen haben das Projekt "Kulturen kochend kennenlernen" Ende 2015 ins Leben gerufen. Das Ziel: sich aktiv am Integrationsprozess zu beteiligen und das Zusammenleben mit den Flüchtlingen in ihrer Gemeinde zu erleichtern. Es habe einen riesen Andrang gegeben, erinnert sich die 15-jährige Maya Wohlfarth. "Alle waren super motiviert", fügt Lydia Reismann hinzu. Nur mit der Kommunikation habe es nicht immer so ganz funktioniert, wie die 18-jährige Schülerin berichtet. Für die Geflüchteten war es eine Abwechslung. "Wir haben viel dabei gelernt", sagt der 24-jährige Mohammed Qasir zurückblickend. Gemeinsam mit seinem Landsmann Raha Ahmad zeigte der studierte Software-Ingenieur den Mädchen, wie man Hähnchen Biryani, ein pakistanisches Reisgericht mit gebratenem Fleisch, zubereitet.

Einige der Speisen aus dem Kochbüchlein konnten die rund 160 Besucher, die zum Eine-Welt-Abend mit Benefizkonzert in die Aula des Gymnasiums gekommen waren, vor Ort probieren. Aufgetischt wurden unter anderem Couscous-Salat, iranisches Omelett und Yassa, ein westafrikanisches Reisgericht. "Wir sind ganz fleißig beim Kochen", sagt Lara Langhein. An der Essensausgabe in der Mensa teilt die 17-Jährige "Eine-Welt-Teller" mit selbst gekochten Gerichten an hungrige Gäste aus.

Um sich das Essen zu verdienen, mussten die Besucher jedoch zunächst einen Hindernisparcours zwischen Aula und Mensa bewältigen. "Oh, das hat direkt was Unheimliches", ruft eine Frau beim Anblick eines mit Sportgeräten nachempfundenen Fluchtwegs. "Aufpassen, jetzt wird es erstmal hügelig", warnt Jakob Funk einen Mann, der mit verbundenen Augen über eine Matratze mit Erhebung balanciert. Bevor dieser auf der simulierten Flucht durch Kisten gefüllt mit Stroh, Sägespänen und Kieselsteinen watet, muss er durch einen Dschungel aus Seilen hindurchrobben. "Jetzt ducken und nicht anstoßen", rät der 13-jährige Schüler seinem Schützling. Das Knie hat sich der Mann beim Hindurchkriechen trotzdem angehauen. Sein Fazit: "Flucht ist gar nicht so einfach." Viele Besucher zahlen lieber einen Euro an einen gemimten Schlepper, um den Weg zur Mensa ohne Hindernisse zu nutzen.

Mit etwas Verspätung beginnt das Benefizkonzert, bei dem neben Schulchor und Schulband auch Lehrer und ehemalige Schüler auftreten. Den Anfang macht Sänger und Gitarrist Topher Lack mit einer schwungvollen Eigenkomposition. Akustisch begleitet wird die Musik vom Klappern des Bestecks und dem Duft der internationalen Küche, der über der Aula schwebt. In ungezwungener Atmosphäre genießen einige der Besucher die Eine-Welt-Teller während des Konzerts.

Wenn es noch einmal von Think Big, einem Programm der Fundación Telefónica und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, finanziell unterstützt würde, wolle man noch ein weiteres Kochbuch herausbringen, erzählt Maya. An der ersten Ausgabe haben sich etwa zehn Flüchtlinge aus der Turnhalle des Gymnasiums beteiligt. Darunter auch Nooragha Stanikzai. Kochen ist ein Hobby des 26-jährigen Afghanen. Schon in seiner Heimat bereitete er für sich Essen zu, wenn seine Mutter, eine Lehrerin, bei der Arbeit war. "Jetzt kann ich sogar für meine ganze Familie kochen", sagt er mit einem Lachen.

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Quelle:
SZ vom 01.03.2016
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