Zu Beginn der Veranstaltung an diesem Montagabend sind die Listen und Stellwände zum Großteil noch leer. Der Saal im Markt Schwabener Unterbräu ist hingegen gut gefüllt. Etwa 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich eingefunden für die Auftaktveranstaltung von „Markt Schwaben hilft“: Ein Helfertreff, der in Kooperation zwischen dem Markt und dem Verein Seite an Seite ins Leben gerufen wurde. Er soll dazu dienen, den Geflüchteten, die in Zukunft in die neuen Unterkünfte am Ziegelstadel und am Hanslmüllerweg ziehen werden, die Integration zu erleichtern.
Vor etwa einem Jahr war bekannt geworden, dass das Landratsamt Ebersberg eine neue Unterkunft in Markt Schwaben plant, es folgten Proteste und Polarisierung, es wurde eine Bürgerinitiative gegründet, die die Unterkunft verhindern wollte. Der damalige Bürgermeister Michael Stolze trat in Reaktion auf den starken Gegenwind Anfang dieses Jahres zurück.
Es kam schließlich zu einem Kompromiss zwischen der Gemeinde und der Regierung von Oberbayern: Nur maximal 66 Geflüchtete werden in die Unterkunft am Ziegelstadel ziehen, dafür muss die Gemeinde eine zweite Unterkunft für bis zu 90 Geflüchtete am Hanslmüllerweg errichten. Seitdem hat sich die Lage beruhigt, aus der Bürgerinitiative wurde der Nachbarschaftsverein „Gemeinschaft Bürgerfeld“, Gemeinde und Zivilgesellschaft bereiten sich darauf vor, die Geflüchteten, so gut es geht, zu empfangen.
In die Unterkunft am Ziegelstadel werden anfangs Geflüchtete kommen, die derzeit bereits im Landkreis untergebracht sind
An diesem Abend haben sich dann auch Vertreter von Seite an Seite, der Caritas, dem Landratsamt und der Gemeinde eingefunden. Marion Wolinski vom Landratsamt gib zunächst einen Überblick über die Lage im Landkreis: „Es kommt immer noch alle 14 Tage ein Bus mit 50 Menschen, die untergebracht werden müssen.“ Circa 1500 Geflüchtete seien bereits auf Unterkünfte verteilt, das alte Sparkassengebäude in Ebersberg, das auch als Aufnahmezentrum fungiert, beherberge am meisten Menschen.
Da der Landkreis im Sparkassenbau immer wieder neue Plätze für die Erstaufnahme benötigt, hält Wolinski es für sehr wahrscheinlich, dass die ersten Geflüchteten, die die Unterkunft am Ziegelstadel nutzen werden, bereits seit einiger Zeit in Ebersberg leben. Sie rechnet damit, dass im ersten Quartal 2025 die ersten einziehen werden.
Die Caritas wird die Geflüchteten von Anfang an betreuen, wie Jonas Hacker erklärt. Schon jetzt bieten ihre Mitarbeiter Geflüchteten Hilfe an, in ihrem Zentrum in Grafing oder vor Ort in den Unterkünften, sie helfen etwa beim Verstehen und Beantworten amtlicher Briefe oder bei der Anmeldung für Sprachkurse. Da ihnen jedoch auch oft die Zeit fehle, sei jede zusätzliche Unterstützung „genial“.
Markt Schwabener Helferkreis:Ein bisschen Willkommenskultur
Vor einem Jahr war die Stimmung in Markt Schwaben wegen der Flüchtlingsunterkünfte so schlecht, dass der Bürgermeister zurücktrat. Jetzt plant man Laufgruppen mit Geflüchteten – wie schön.
Und auch die Gemeindeverwaltung bereitet sich fleißig vor, wie Bürgermeisterin Walentina Dahms (CSU) versichert. Man sei etwa dabei, Kinderbetreuung wie etwa Spielgruppen zu organisieren oder feste Anmeldenachmittage für Geflüchtete einzurichten, damit sie leichter Zugang zu den neuen, ehrenamtlichen Aktivitäten des Helferkreises bekommen können.
„Manche Herausforderungen sind immer gleich“, sagt Tobias Vorburg von Seite an Seite
Das verbirgt sich hinter den Stellwänden und Anmeldezetteln und ist das eigentlich Neue an diesem Helferkreis. Der Verein Seite an Seite hat in Absprache mit der Gemeinde das Konzept geboren, verschiedene Gruppen ehrenamtlicher Helfer zu bilden, die den Geflüchteten in unterschiedlichen Lebensbereichen unter die Arme greifen sollen: Sport und Freizeit, Kinder und Jugendliche oder Deutschlernen. Andere sollen bei IT und EDV helfen, also zum Beispiel beim Herunterladen und Bedienen relevanter Apps, oder die Geflüchteten beim Gang zu Ämtern begleiten. „Man kann sich nicht auf alles vorbereiten“, sagt Tobias Vorburg vom Verein. „Aber manche Herausforderungen sind immer gleich.“
Und der Aufruf zur Auftaktveranstaltung trägt Früchte: Bald schon wuseln die Teilnehmer um die Stände, informieren sich, welche Expertise gefragt ist, heften Zettel mit eigenen Ideen an die Stellwände und tragen sich in Listen ein. Die Gruppen sollen sich intern formieren, weiterentwickeln und überlegen, wie sie am besten an die Geflüchteten herantreten und helfen können. Wer mitmachen möchte, kann sich an den Verein Seite an Seite wenden oder an die Gemeinde Markt Schwaben.
Die Gemeinschaft Bürgerfeld sieht sich, entgegen einer Frage aus dem Publikum, nicht als Gegenpart zu diesen neuen Strukturen. Andreas Stumptner, einer der Vorsitzenden des Vereins, erklärt, er habe sich etwa ebenfalls bereits für eine Gruppe eingetragen. „Wenn man uns einbindet, bringen wir uns auch ein“, sagt er und verweist damit auf die nicht gut gelungene Kommunikation vor einem Jahr. Der Verein wolle jetzt das Beste aus der Situation machen.
In der großen Abschlussrunde zeigen sich die Veranstalter sehr erfreut über den regen Zuspruch, die vielen Ideen und die angekündigte Beteiligung. Sogar eine Willkommensparty ist angedacht. Die Stellwände und Listen sind schließlich ebenfalls gut gefüllt, was Judith Seibt von Seite an Seite optimistisch stimmt: „Ich gehe mit einem guten Gefühl aus dieser Veranstaltung ins nächste Jahr. Man sieht, Markt Schwaben hilft!“