Evangelische Gemeinde Markt Schwaben:Da sein für Menschen in allen Lebenslagen

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Schritt für Schritt erobert sich Andreas Neeb seinen neuen Wirkungskreis. Die Kirche findet er wunderschön. (Foto: Christian Endt)

Seit 1. Oktober ist Pfarrer Andreas Neeb Nachfolger von Karl-Heinz Fuchs in der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Markt Schwaben. Davor wirkte der gebürtige Rheinländer ein Vierteljahrhundert in Oberfranken – stets in Stellenteilung mit der Ehefrau. Am 6. Oktober findet die feierliche Einführung des 57-Jährigen durch Dekan Weigl statt.

Von Michaela Pelz, Markt Schwaben

Die Person, die so einladend die Tür zum evangelischen Gemeindezentrum Markt Schwaben öffnet, ist genauso, wie man sich einen Pfarrer vorstellt: zugewandt, aufmerksam, freundlich und mit jenem gütigen, aber auch verschmitzten Lächeln im Gesicht, dem man entnehmen kann, dass diesem Manne nichts Menschliches fremd ist. Und dass Andreas Neeb eine ordentliche Portion Humor besitzt.

Das bestätigt sich, als man vor seinem wohl prägendsten Einsatzort steht, gleich nebenan. Auf Anhieb am großen Bund den richtigen Schlüssel für die Philippuskirche zu finden, ist gar nicht so einfach für den Nachfolger des Ruheständlers Karl-Heinz Fuchs. Kein Wunder – viel Zeit zum Üben gab es noch nicht: „Donnerstag und Freitag sind wir mit unsren 200 Kisten eingezogen, dann aber gleich wieder nach Ebersdorf bei Coburg zurückgefahren, um in der bisherigen Gemeinde verabschiedet zu werden. Jetzt muss ich erst einmal ankommen und meine neue Stelle kennenlernen“, erklärt der gebürtige Rheinländer.

Mehr als zwölf Tasten allein für die diversen Licht-Szenarien - da kann man schon mal durcheinanderkommen. Hauptsache, man drückt nicht aus Versehen den Schalter, der die Kirchenglocke in Gang setzt. (Foto: Christian Endt)

Auch mit der Beleuchtung im Gotteshaus ist er noch nicht allzu vertraut, kein Wunder, gut ein Dutzend Tasten nur für das Licht umfasst die Tafel in der Sakristei. Von den anderen Bedienelementen ganz zu schweigen. „Auf die Glocke drücke ich jetzt aber nicht“, scherzt der Geistliche. Damit spielt er auf den Fall vor elf Jahren an, als sich ein Anwohner an seiner damaligen Wirkungsstätte durch das Läuten der Kirchenglocken belästigt fühlte. „Zum Glück kam es zu einer außergerichtlichen Einigung.“

Eine gute Gelegenheit, um über andere Konfliktpotentiale zu sprechen und darüber, wie sehr ihm daran liegt, zu vermitteln und gemeinsame Wege zu finden, statt Wasser auf die Mühlen derer zu gießen, denen an Spaltung gelegen ist. Wie 2015, als er mit seiner Frau und Kollegin ein Konzept zur Integration von Geflüchteten entwickelt – mit Sprachkursen und Patenschaften. Das habe wunderbar funktioniert. „Wir müssen auf die Menschen schauen, die da sind. Sie brauchen Begleitung und Unterstützung. Auch das ist eine der Aufgaben der Kirche“, sagt der Pfarrer. Und gerade in Markt Schwaben etwas, das sicher auch künftig von großer Bedeutung sein wird.

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Praktischerweise verfügt der Seelsorger über eine Qualifikation als systemischer Gemeindeberater – in dieser Funktion ist er seit 2013 für die Gemeindeakademie Rummelsberg tätig. Seine Begleitung von Kirchenvorständen reicht von organisatorischen Themen bis hin zu inhaltlicher Neuausrichtung. Wobei man freilich niemandem etwas überstülpe. „Wie schon der Begriff ’systemisch’ sagt, sind die Klienten Experten für ihr eigenes Leben. Man unterstützt sie lediglich beim Erarbeiten eines Lösungsweges.“

So steht auch hier das gemeinsame Agieren im Vordergrund, wie Neeb es viele Jahre bei seiner eigenen Arbeit gewohnt war, hat er sich doch seit Ende der Ausbildung immer die Stelle mit seiner Frau geteilt. „Das war sehr praktisch, als die Kinder kamen und auch, als wir die Schwiegermutter vier Jahre lang gepflegt haben“, erläutert der Vater eines 28-jährigen Sohnes und einer 26-jährigen Tochter, die mit den Eltern zusammen umgezogen ist und nun, wie ihre Mutter, in München arbeitet.

„Ein Jahr Wochenendbeziehung. Mit einem Pfarrer. Finde den Fehler.“

Natürlich hatten nicht rein organisatorische Gründe den Ausschlag für die Stellenteilung gegeben. Manchen sei diese enge Verflechtung zwischen Privat- und Berufsleben, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen, zu viel, aber „wenn man sich so gut ergänzt wie wir beide, ist teilen einfach super!“ Alles habe man besprechen können und das auch ausgiebig getan – dass jetzt jeder beruflich eigene Wege geht, „wird schon ein schöner Unterschied sein.“

Doch als Kathrin Neeb nach rund 26 gemeinsamen Jahren in verschiedenen Pfarrstellen in Oberfranken das Angebot bekam, ab September 2023 als theologische Referentin zur Landessynode zu wechseln, wollte das Ehepaar diese Chance nicht ungenutzt lassen. Zumal beide damit rechneten, dass Andreas Neeb schnell nachkommen würde. „Es hat sich dann aufgrund der Stellenlage doch länger gezogen als gedacht; am Ende war es ein Jahr lang eine Wochenendbeziehung. Mit einem Pfarrer! Finde den Fehler“, beschreibt er mit einem Lächeln die Situation.

Wiewohl er im ersten Moment überlegt habe, sich direkt in der Landeshauptstadt etwas zu suchen, ist Neeb inzwischen sehr froh, in Markt Schwaben eine neue Heimat gefunden zu haben. „Ich spüre, dass mir das Leben auf dem Land dann doch näher ist als in der Stadt“, sagt der begeisterte Fahrradfahrer, der bisher dienstlich wie privat überwiegend unmotorisiert unterwegs war. Das allerdings wird ihm nun schwerfallen, denn zum Einzugsbereich der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde gehören ja neben Markt Schwaben auch noch Anzing und Forstinning sowie die im Landkreis Erding gelegenen Ortschaften Eicherloh, Finsing und Ottenhofen. Darum wird der umweltbewusste Neeb wohl doch gelegentlich das Auto nehmen müssen.

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Bewegung bekommt der Freizeittänzer „von Standard bis Disco; gern, aber leider zu selten“ – trotzdem genug. Dafür sorgt schon Rauhaardackelhündin Zena. Durch die gemeinsamen Spaziergänge „gab es schon viele nette Gespräche mit anderen Hundehaltern. Ich fühle mich wirklich gut aufgenommen.“ Außerdem erhalte man als Pfarrer wohl immer „eine Art Vertrauensvorschuss“, was das Einleben an einem neuen Ort immer erleichtere.

Bestimmt kommt dem in Dormagen als jüngstes von vier Geschwistern aufgewachsenen Mann dabei auch seine unkomplizierte Art zugute, die sich im Gespräch immer wieder zeigt. Familiäre Vorbilder für den Beruf gab es nicht, berichtet er: „Papa war Chemiker, meine Großväter Bauingenieur und Landwirt.“ Der Kirchgang allerdings war Tradition, das Engagement in der Jugendarbeit direkt nach der Konfirmation tat ein Übriges. „Letztendlich ist die Begegnung mit Menschen in allen Lebenslagen der Grund für den Wunsch, Pfarrer zu werden.“

Die Gemeinde gibt den Takt vor

Die Bereitschaft, sich auf unterschiedlichste Mentalitäten einzustellen, bewies er dann sowohl durch die Wahl seiner Studienorte Wuppertal und Marburg als auch durch die Entscheidung, anschließend nach Bayreuth und später nach Ludwigsstadt an der Grenze zu Thüringen zu gehen. „Die dortige Landeskirche hat schon längst erlebt, was jetzt auf uns zukommt – eine Ausdünnung der Gemeinden“, fasst er die Realität in allen Konfessionen zusammen. Um gegenzusteuern, müsse man „offen und transparent sein, auf Menschen zugeben, hinter den Kirchenmauern vorkommen, sie an ihren Orten aufsuchen.“ Gerne möchte er vor allem junge Familien in den Fokus nehmen, ihnen die Möglichkeiten des Gemeindelebens zeigen, das sie so vielleicht gar nicht mehr kennen.

Andere konkrete Pläne für die Zukunft hat er nicht: „Ein Pfarrer kommt und geht – die Gemeinde bleibt. Sie gibt den Takt vor, sagt, was sie haben möchte – dann bringe ich mich ein“, entgegnet Neeb. Etwa bei der Partnerschaft mit Palangavanu (Tansania). Über entsprechende Erfahrungen verfügt der Geistliche bereits: 14 Jahre lang war er Dekanatsmissionspfarrer mit intensiver Partnerschaft nach Tansania, wohin er selbst schon dreimal gereist ist.

Der Familienbaum aus Ebenholz ist sichtbare Erinnerung an die Partnerschaft mit einer Gemeinde aus Tansania. Andreas Neeb würde sich hier gern engagieren - er hat das Land bereits dreimal bereist, war er doch lange Dekanatsmissionspfarrer. (Foto: Christian Endt)

Für kreative Ideen vonseiten der Gemeinde ist er in jedem Fall offen. In vorherigen Wirkungsstätten gab es Kunstaktionen und sogar Passionsspiele, „initiiert durch eine sehr aktive Mitarbeiterin“, hat er als theologischer Berater begleitet. Denkbar wäre auch eine Mitwirkung im Posaunenchor, wie er es bis vor fünf Jahren getan hat, „dann kam die Pandemie und in meiner letzten Gemeinde gab es keinen.“ Er sei jemand, der gerne alles auf sich zukommen lasse, sagt Andreas Neeb. Und wenn es ein Besuch auf dem Oktoberfest ist – „auf Einladung des Dekanats“.

Einführung Pfarrer Andreas Neeb durch Dekan Weigl mit Festmusik - anschließend Stehempfang: Sonntag, 6. Oktober, 15 Uhr, Philippuskirche Markt Schwaben.

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